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Wettskandal Wettskandal: UEFA bestellt Nationalverbände zum Rapport

Von Ines Bellinger 23.11.2009, 12:20

Hamburg/dpa. - Die europäische Fußball-Union UEFA bestellt dieVerbände zum Rapport, der DFB setzt eine Task Force ein, die Politikdiskutiert ein Gesetz gegen Sportbetrug: Vier Tage nach Bekanntwerdendes größten Fußball-Wettskandals in Europa hat Deutschland dieAufklärungsmaschinerie in Gang gesetzt. Der Deutsche Fußball-Bund(DFB) und der Ligaverband DFL stellten am Montag bei derStaatsanwaltschaft in Bochum Antrag auf Akteneinsicht und sichertenden Ermittlern jegliche Hilfe zu.

«Es wird die Wahrheit auf den Tisch kommen», versprach DFB-Präsident Theo Zwanziger bei einer Pressekonferenz in Frankfurt. Ermachte aber auch deutlich, dass die Sportgerichtsbarkeit alleinnichts gegen eine Wettmafia ausrichten kann: «Ein Sportverband istabsolut überfordert, organisierte Kriminalität, auch noch mitinternationalem Charakter, allein zu bewältigen», sagte er.

Sportausschuss diskutiert über Skandal

Die deutsche Politik wird als Sofortmaßnahme die Gefahr vonSpielmanipulationen am Mittwoch im Sportausschuss des Bundestagesdiskutieren. Das kündigte die designierte Ausschuss-VorsitzendeDagmar Freitag (SPD) an. Der Vorschlag von Bayerns JustizministerinBeate Merk (CSU), ein Gesetz gegen Betrug im Sport auf den Weg zubringen, «hat meine Sympathie», sagte Freitag. Forderungen der FDP,den Glücksspielstaatsvertrag auszuhebeln und so den Weg für privateWett-Anbieter zu ebnen, lehnte Freitag strikt ab.

Die Staatsanwaltschaft Bochum bleibt bei ihrer Linie und nenntweiter keine Namen von Spielern oder Vereinen, die in denBestechungsskandal verwickelt sind. «Wir lassen uns nicht treiben,auch wenn jetzt Anwälte öffentlich aus Haftbefehlen zitieren», sagteder Sprecher der Bochumer Staatsanwaltschaft, Bernd Bienioßek.Europaweit stehen 200 Spiele unter Manipulationsverdacht. InDeutschland sind nach Angaben der Ermittler 32 Partien von der2. Bundesliga abwärts betroffen, 15 Verdächtige sitzen inUntersuchungshaft.

Die UEFA will am Mittwoch (11.00 Uhr) mit den neunNationalverbänden, die in den Wettskandal verwickelt sind, über denStand der Ermittlungen diskutieren. Auch Deutschland nimmt an demKrisentreffen in Nyon teil. Auf der Liste der StaatsanwaltschaftBochum stehen außerdem Belgien, die Schweiz, Kroatien, Slowenien,Bosnien, die Türkei, Österreich und Ungarn.

DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach sagte, er sei bei einerTagung der Generalsekretäre der europäische Verbände «abstrakt» überein sich abzeichnendes Problem bei den Sportwetten informiert worden.In diesem Zusammenhang sei der DFB von der UEFA als beispielhaftdargestellt worden. Nach Angaben des Präsidenten des ungarischenVerbandes, Istvan Kisteleki, hatte die UEFA bereits seit MonatenKenntnis vom internationalen Wettbetrug. «Es war nur eine Frage derZeit, bis der Luftballon platzen würde», erklärte der Verbandschef imungarischen Sport-Portal nemzetisport.hu. «Auch ich wusste von derExistenz illegaler Wetten.»

Sportradar: Keine auffälligen Partien in Deutschland

Die Firma Sportradar, die im Auftrag der UEFA die Wettquotenüberwacht, hat in Deutschland im vergangenen halben Jahr keineAuffälligkeiten registriert. «Wir haben auffällige Partien gehabt,aber keine in Deutschland», sagte Sportradar-Geschäftsführer CarstenKoerl. Sportradar sei nicht in die Ermittlungen involviert. «Wirwissen aber, dass Spiele, die bei uns als auffällig registriertwurden, Gegenstand der Ermittlungen sind.» Sportradar überwacht nacheigenen Angaben Fußballspiele der ersten und zweiten Ligen in allen53 Mitgliedsstaaten der UEFA.

Der Anwalt eines in Deutschland Verhafteten nannte unterdessenDetails aus dem Durchsuchungsbeschluss. Seinem Mandanten Deniz C.,der seit Donnerstag in Untersuchungshaft sitze, werde gewerbsmäßigerBandenbetrug in acht Fällen sowie erpresserischer Menschenraubvorgeworfen, sagte Rechtsanwalt Burkhard Benecken der dpa. Der 30Jahre alte Mann aus Herten in Nordrhein-Westfalen soll mit sechsanderen Verdächtigen aus dem Ruhrgebiet auf manipulierte Partien inder Schweiz, Belgien, Türkei, Kroatien und Slowenien gewettet haben.Deniz C. soll sogar einen Wettanbieter aus Nürnberg verschleppt undeingesperrt haben, um Wettschulden einzutreiben.

Der DFB sprach sich dagegen aus, Spieler an den Pranger zustellen. Ein Name fiel auf der Pressekonferenz am Montag aber doch:Ex-Nationalspieler Mario Basler war vom DFB aufgefordert worden,nicht auf die Spiele seines Vereins Eintracht Trier zu wetten. Dasbelegt ein Brief des Kontrollausschusses vom 24. September, den derDFB am Abend mit Zustimmung des Trier-Trainers veröffentlichte.

Basler wirbt für Digibetwetten. Bei einem Tippspiel diesesWettanbieters können Dritte in der sogenannten «Basler-Wette» gegenihn auf Ergebnisse von Fußballspielen wetten. Der DFB betonte, dasser Baslers Werbetätigkeit nicht beanstande und ihn auch nicht inZusammenhang mit etwaigen Spielmanipulationen bringe. Basler hatte imVorfeld eines Pokalspiels seines Clubs gesagt, er würde auf seineMannschaft wetten.

Mafia Drahtzieher in Italiens Wettskandal

Auch Italien hat seit Montag seinen neuen Wettskandal. Acht Spielesollen im Land des Weltmeisters manipuliert worden sein. DieDrahtzieher sitzen nach Polizeiangaben bei der Mafia. Einen Bezug zumeuropäischen Wettskandal gebe es nicht. Die Polizei nahm neunVerdächtige fest, darunter sind der Präsident des DrittligistenPotenza SC und ein bekannter Mafioso. Potenzas Anti-Mafia-Staatsanwalt Francesco Basentini ermittelt gegen 20 Verdächtige.

In der Schweiz hat nach dem Zweitligisten FC Thun ein weitererVerein Verwicklungen in Manipulationen öffentlich gemacht. DerZweitligist FC Gossau suspendierte seinen Mittelfeldspieler MarioBigoni. Laut Vereinspräsident Roland Gnägi hat der 25-Jährigezugegeben, «dass in der letzten Rückrunde bei einem Spiel nicht allessauber gelaufen» sei. Bereits am Sonntag hatte der FC Thun seinenStürmer Omar Faye gesperrt. Der 22-Jährige war zuvor von der Polizeivernommen worden.

Schema des Wettbetrugs über manipulierte Spiele im Fußball. (GRAFIK: DPA)
Schema des Wettbetrugs über manipulierte Spiele im Fußball. (GRAFIK: DPA)
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