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Vorgestellt Vorgestellt: Der «Bomber» bringt Nürnberg nach Haus

07.10.2011, 16:00
Der Busfahrer des Fussball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg, Udo Rauh, posiert auf dem Vereinsgelände am Mannschaftsbus. (FOTO: DAPD)
Der Busfahrer des Fussball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg, Udo Rauh, posiert auf dem Vereinsgelände am Mannschaftsbus. (FOTO: DAPD) dapd

Nürnberg/dapd. - Wenn Udo Rauh an den Beginn der Rückrunde denkt, entfaltet sichein Lächeln auf seinem Gesicht. Denn pünktlich zum Start der zweitenSaisonhälfte erhält der Busfahrer und zweite Zeugwart des 1. FCNürnberg einen neuen Dienstwagen. «Ein göttliches Gerät», sagt er.

Dabei verbinden den ehemaligen Supporter der Franken vieleErinnerungen mit dem alten Fahrzeug. Erinnerungen an dieaufregendste Fahrt seiner Karriere, den Ärger von Trainer DieterHecking über den schlechten Fernsehempfang oder die Fanblockade nacheiner deftigen Auswärtsniederlage.

Rauh ist seit zehn Jahren Angestellter in dem Verein, den erschon sein halbes Leben als Fan begleitete. Der 39-jährige wuchs inWeißenburg auf. Doch sein Fußballherz schlägt 60 Kilometer entfernt.Jahrelang war er Anhänger des 1. FC Nürnberg, jubelte seinem Team imFrankenstadion zu und fuhr die treuesten Fans mit einem Bus zuAuswärtsspielen.

Bis der Club ihm 2001 ein Angebot machte, das sein Lebenveränderte. Ein Fahrer für den Mannschaftsbus wurde gesucht, und ersollte übernehmen. Rauh überlegte nicht lange und sagte zu. Seitdemist er Teil der Nürnberger Belegschaft: sitzt bei Bundesligapartienmit am Spielfeldrand, kennt die Geheimnisse aus der Kabine. DieSpieler nennen ihn liebevoll «Bomber». Aus welchem Grund, weiß Rauhnicht: «Den Namen habe ich irgendwann bekommen - einfach so.» Mitseinem Fahrstil habe der Name aber nichts zu tun. Der sei sicher undnicht explosiv.

«Der Bus war eine geschlossene Soundmaschine»

Mit dem Mannschaftsbus hat er mittlerweile Zehntausende Kilometerzurückgelegt. Eine Fahrt an einem Samstagabend im Mai 2007 bleibtunvergessen: «Die Rückfahrt nach dem DFB-Pokalsieg gegen Stuttgartwar der emotionale Höhepunkt.» Alle Spieler grölten lauthals, «derBus war eine geschlossene Soundmaschine», sagt der Fahrer. Und demPokal war Rauh für die 30 Minuten bis zum Mannschaftshotel näher alsdie Spieler. Die goldene Trophäe stand direkt hinter derWindschutzscheibe und glänzte nur wenige Zentimeter von ihmentfernt.

Doch der 39-Jährige erlebte auch weniger glamouröse Fahrten oderFahrtversuche. So denkt er nur ungern an eine Auswärtspartie voranderthalb Jahren zurück, als Fans nach einem 0:4 den Busblockierten und von den Spielern Antworten verlangten. Er selbst hatsolche Erfahrungen seitdem nicht mehr gemacht. «Aber ich muss immerschmunzeln, wenn ich von einer Sitzblockade bei den anderen Klubshöre», sagt er.

Das ungewöhnliche Hobby von Ralph Schäfer

Derzeit denkt er viel an seinen Freund Raphael Schäfer. Denn derNürnberger Stammkeeper fehlt seinem Team seit dem 3. Spieltag wegeneiner Verletzung am Sprunggelenk. «Vielleicht ist er Ende Oktoberwieder so weit», hofft Rauh.

Mannschaftskapitän Schäfer genießt ein ganz besonderes Privilegbei ihm. Denn den 32-Jährigen lässt er sogar ans Steuer. «Er fährtden Bus nach den Abschlusstrainings am Freitag immer 100 Meter weitvom Parkplatz bis zur Kabine. Das ist sein Hobby», sagt Rauh. Dochderzeit bewegt der Nürnberger Keeper mehr Gewichte als Busse.

Noch befindet er sich im Aufbautraining. Wenn er zurück ist, kannsich der Torwart wieder auf das Sorglos-Paket von Zeugwart GünterVogt und Udo Rauh verlassen: «Die Spieler brauchen nur mit einemKulturbeutel zum Spiel kommen. Um alles andere kümmern wir uns»,erklärt Rauh. Gemeinsam mit Vogt hat er auch schon einenStimmungssong («Der FCN ist mein Verein») aufgenommen, den sie auchim Duett auf Klubfesten singen. «Wenn wir euphorisch sind und volleKanne geben, tobt das Haus», versichert Rauh.

Zwtl.: Zwei Wünsche und ein Traum

Normale Arbeitstage sehen allerdings anders aus. Die beidenhängen Trikots auf Kleiderbügeln in die Kabine, legen dieAufwärmleibchen davor und stellen die Schuhe bereit. Nur die Musikfehlt noch. Um die kümmern sich die Spieler selbst: «Die meistenhaben in der Kabine einen I-Pod vor dem Spiel auf.»

Trainer Dieter Hecking interessiert nach dem Spiel meist einanderes Medium. Doch der Empfang im Bus-Fernsehen ist oft soschlecht, dass er die anderen Bundesliga-Partien kaum zu sehenbekommt. «Dann ärgert er sich», sagt Rauh. Doch mit dem neuen Bussoll das anders werden: «Eine funktionierende TV-Anlage wäre fürviele ein Obertraum.»

Seine eigenen Wünsche sind bescheiden. Auch zu seinem 40.Geburtstag am 25. Oktober wünscht er sich von der Mannschaft nur,dass sie den Abstiegsrängen fern bleibt. Doch einen großen Traum fürdie ferne Zukunft hat er: Eine eigene Musikkneipe, mit den Trikotsseiner Lieblingsspieler an der Wand. Das Busfahren will er dafüraber nicht aufgeben: «Das geht immer.»