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«Vera Brühne» «Vera Brühne»: SAT.1-Zweiteiler als Anklage gegen die Justiz

22.05.2001, 04:07

Hamburg/dpa. - Von Beginn an macht der renommierte Hamburger Regisseur Hark Bohmin seiner fast fünf Stunden langen Inszenierung, die am Donnerstagund Freitag (24./25. Mai, jeweils 20.15 Uhr) ausgestrahlt wird,einen Grundsatz klar: «Im Zweifel für den Angeklagten». Schonungsloswerden Widersprüche im Verfahren gegen Deutschlands lange Zeitprominenteste Strafgefangene - eine attraktive Blondine - und denals Komplizen mitverurteilten Johann Ferbach aufgedeckt.

Die selbstbewusste Brühne war in einem Indizienverfahrenverurteilt worden, ihren Geliebten Otto Praun - einen Arzt - unddessen Haushälterin Elfriede Kloo am Gründonnerstag 1960 in PraunsVilla am Starnberger See ermordet zu haben. Als Motiv galt Habgier,da Brühne sich ihr Erbe habe sichern wollen. Praun wollte sein anBrühne vermachtes Haus in Spanien offenbar verkaufen.

Bohms Werk - an 75 Drehtagen verfilmt und von Bernd Eichingerproduziert - ist eine spannende Mischung aus Thriller undDokumentation geworden. In der Rolle Brühnes glänzt eine unterkühlt-sinnliche Corinna Harfouch, Uwe Ochsenknecht spielt Ferbach. Auchdie übrigen tragenden Rollen (die wirklichen Namen wurden im Filmgeändert) sind unter anderem mit Ulrich Noethen alsOberstaatsanwalt, Hans Werner Meyer als an Brühne glaubender Anwalt,Katja Flint als Ex-Freundin Brühnes und Mavie Hörbiger als ihreTochter herausragend besetzt.

Brühne, die 1979 im Alter von 68 Jahren begnadigt wurde, hatte inihrer Haft vergeblich zahlreiche Wiederaufnahmeanträge gestellt. Indem Zweiteiler wird die These vorangetrieben, dass Praun in illegaleWaffengeschäfte verwickelt gewesen sei und in dem Fall derBundesnachrichtendienst (BND) seine Hand im Spiel gehabt habe. DerFilm lässt jedoch auch bis zum Schluss die Rolle Brühnes offen.Immer wieder gibt es auch Szenen, die ihre Glaubwürdigkeit tieferschüttern.

Wieso wurde Vera Brühne verurteilt? Für Bohm, der in dem Filmauch das spießige Nachkriegs-Deutschland an den Pranger stellt, gibtes «vor allem zwei Antworten: Die eine ist, dass Frau Brühne sichden Strick selbst gedreht hat, an dem sie dann schließlichaufgehängt wurde. Das deutlich zu machen, war für mich eine ArtLeitlinie. Die zweite Antwort ist: Man brauchte einen Dummen alsTäter», sagt der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb.

Vera Brühne, die Bohm als «vielschichtige faszinierendePersönlichkeit» kennen gelernt hat, war mehrfach bei denDreharbeiten dabei. Als sie im April starb, beschloss SAT.1 deneigentlich erst im Herbst zur Ausstrahlung vorgesehenen Film früherauf den Bildschirm zu bringen. Die aufwendige und anspruchsvolleVerfilmung soll dem Berliner Privatsender nicht nur eine gute Quote,sondern auch eine Aufwertung des eigenen Images bringen.

Das Kapitel Brühne ist damit jedoch nicht abgeschlossen: IhrAdoptivsohn David Wilfried Tasch will posthum das Verfahren neuaufrollen lassen. Durch die Verfilmung ihres Lebens habe sich VeraBrühne die gesellschaftliche Rehabilitation erhofft und geplant,auch juristisch gegen das Urteil vorzugehen. «Diesen Wunsch führeich jetzt aus», kündigte Tasch Anfang des Monats an.