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USA USA: Rabbit ist wieder auferstanden

07.10.2002, 05:40
John Updike
John Updike dpa

New York/dpa. - Die alte Klingel krächzt nur noch, eines Tages wird sie den Geist aufgeben. Doch vorher hat John Updike ihr noch eine Aufgabe zugedacht. Zu Beginn seiner neuen Novelle «zerschrammt» sie die Stille in einem gutbürgerlichen Haus in Pennsylvania. Das Haus und seine Bewohner sind Updike-Lesern vertraut, auch wenn die letzte Erwähnung mehr als zehn Jahre zurück liegt. Über die Frau, die nun plötzlich vor der Tür steht, war früher allerdings nur gemunkelt worden. Annabelle Byer ist, wie sich bald herausstellt, die uneheliche Tochter einer der wichtigsten Gestalten der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts: Harry «Rabbit» Angstrom.

Vier seiner mehr als 40 Bücher hat Updike, einer der großen zeitgenössischen Schriftsteller der USA, über Rabbit und die weiße Mittelstands-Gesellschaft geschrieben, in der sich der Karnickel-Mann durchs Leben und die diversen Betten kämpfte, die sie für ihn bereit hielt. Schließlich, nachdem wir Harry mit all seinen abstoßenden und auch ein paar anziehenden Eigenschaften durch vier Jahrzehnte amerikanischer Geschichte begleiten durften, ließ der Autor seinen sexbesessenen Helden einfach sterben. Mit 56 Jahren kam für Harry 1991 in «Rabbit in Ruhe» das Aus in Form eines Herzinfarkts. «Ich habe ihn getötet, weil ich ihn davor bewahren wollte, dass ich mit abnehmender Kraft über ihn schreibe», sagte Updike einmal.

Inzwischen ist er 70, doch die Kraft ist immer noch da. Genau wie die große Erzählkunst des Pulitzerpreisträgers, der seit Jahren immer wieder auch für den Literaturnobelpreis im Gespräch ist. «Updike hat nie besser über die Angstroms geschrieben», bescheinigt ihm das Fachblatt «The Kirkus Review». Er habe sich Leser vorgestellt, die erfahren wollten, was aus Harry Angstroms Familie geworden ist, sagte Updike. Was der Sohn Nelson so macht und die Witwe Janice.

Die öffnet zunächst mal die Tür. Begeistert ist sie nicht, als sich die 40-jährige Frau, die davor steht, als Rabbits Uneheliche erweist. Janice ist längst mit Harrys altem Rivalen Ronnie verheiratet, der nicht so gern an seinen toten Vorgänger erinnert wird. Doch Sohn Nelson ist begeistert, dass er plötzlich eine Halbschwester hat. So nimmt die Geschichte ihren Lauf, und Updike nimmt die selbstgefertigte Chance wahr, noch einmal tiefe Einblicke ins Seelen- und Sexleben der amerikanischen Mittelschicht zu gewähren. Rabbit lässt er zwar nicht wirklich wieder auferstehen, aber durch das Auftauchen der Tochter werden die Erinnerungen aller an Harry Angstrom wach gerufen.

Wie schon in den Rabbit-Romanen setzt Updike auch in der Novelle «Rabbit, eine Rückkehr» dem Leser eine Tarnkappe auf und lässt ihn unmittelbar am Geschehen teilhaben. Beim Truthahnessen zum Beispiel, wenn in der Spießer-Familie die Fetzen fliegen. «Muss 'n komisches Gefühl sein», sagt Rabbits Nachfolger zu Annabelle, «wenn man die uneheliche Tochter von 'ner Hure und 'nem Herumtreiber ist».

Wie immer teilt Updike in alle Richtungen aus, macht sich lustig über Eitelkeiten, auch wieder über jene der Frauen. Nelsons Gattin Pru sei früher schlank gewesen, aber längst trage sie Baumwollschlüpfer, aus denen man T-Shirts für Lastwagenfahrer zuschneiden könne. Und wie in allen vier Rabbit-Romanen hat Updike wieder reales Geschehen ins fiktive integriert. Der Streit beim Thanksgiving entzündet sich daran, ob Bill Clinton trotz der Lewinsky-Nummer ein netter Kerl ist oder ein Heuchler.

Man muss die Rabbit-Tetralogie nicht gelesen haben, um Updikes Novelle zu verstehen. Aber wer den ersten Band, der 1962 auf deutsch unter dem Titel «Hasenherz» erschien, noch in Erinnerung hat, erkennt die Wehmut leichter, die in «Rabbit, eine Rückkehr» mitschwingt. Zu Zeiten seines ersten Rabbit-Romans sei Amerika noch ein glückliches Land gewesen, sagte Updike Reportern.

John Updike: Rabbit, eine Rückkehr. Rowohlt Verlag, Reinbek; 252 S., Euro 19,90 (ISBN 3-498-06879-2)