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USA USA: In San Diego findet das Leben draußen statt

Von Verena Wolff 14.03.2006, 11:05
Das Leben ist eine lange Welle: Surfen gehört für viele Menschen in San Diego zum Alltag einfach dazu. (Foto: dpa)
Das Leben ist eine lange Welle: Surfen gehört für viele Menschen in San Diego zum Alltag einfach dazu. (Foto: dpa) San Diego CVB

San Diego/dpa. - Horton war nicht der Erste und auch nicht der Einzige, dersich auf der Stelle in die sonnige Stadt am Pazifik verliebte. 21Grad Durchschnittstemperatur, rund 300 Sonnentage im Jahr und dazumehr als 100 Kilometer feinster Sandstrand - San Diego hat auch fürkalifornische Verhältnisse herausragend viel zu bieten.

Schwüles Wetter, wie es manchmal an der US-Ostküste herrscht,kennt man hier nicht. «Auch von Regen und Hurricans bleiben wir meistverschont», sagt Joe Timko von der Besucherinformation. «Hier gibt'shöchstens mal ein Erdbeben.» Mit dieser Gefahr leben die Kalifornier,in San Diego ebenso wie im rund 250 Kilometer entfernten Los Angelesoder noch 550 Kilometer weiter in San Francisco.

Das Leben in San Diego findet überwiegend draußen statt - an denStränden, in den Parks oder auf dem Meer. Kaum irgendwo sonst gehörtdas Wellenreiten so zum Alltag wie in San Diego. Die Fahrräder, diehier «Beach Cruiser» heißen, haben eigene Halterungen für die langenSurfbretter. Viele Leute fahren Pick-ups, weil das Board besser aufdie Ladefläche als in einen Kofferraum passt. Und gesurft wird immer:«Vor der Arbeit, in der Mittagspause und natürlich ausgiebig amAbend», sagt Timko. Neben Anzug und Krawatte gehört der Neoprenanzugzur Garderobe - denn der Pazifik ist auch in den Sommermonaten kühl.

Die Strandviertel La Jolla, Mission Beach und Pacific Beach liegennördlich des alten Stadtkerns «Old Town» und der heutigen Innenstadt.In diesen Gemeinden lebt man am Strand, in erster, zweiter oderdritter Reihe zum Meer. Den Pacific und den Mission Beach verbindeteine rund fünf Kilometer lange Promenade, auf der Inline-Skaten,Joggen und Radfahren genauso wichtig ist wie das Gesehenwerden.

Gediegener geht es weiter nördlich zu: La Jolla ist eigentlicheine eigene Gemeinde und liegt gut 22 Kilometer vom Stadtkerns SanDiegos entfernt. Der Ort mit seinen 24 000 Einwohnern ist einbisschen Künstlerkolonie und ein bisschen Nobelvorort. Wer hier dieBucht am «La Jolla Cove» besucht, mit dem Kajak aufs Meer hinausfährtoder eben mit einem Beach Cruiser durch die Straßen fährt, bekommtdie schönsten Einblicke.

Ebenfalls ein selbstständiger Ort und dennoch im Sprachgebraucheingemeindet ist Coronado, eine vorgelagerte Insel, die über eine 3,4Kilometer lange Brücke zu erreichen ist. Zwei Dinge fallen hiersofort ins Auge: die Präsenz der US-Seestreitkräfte und das «Hoteldel Coronado», von den Einheimischen kurz nur «Hotel Del» genannt.

«Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele pensionierte Admiräle proQuadratkilometer wie auf Coronado Island», sagt Busfahrer «RJ» beiseiner Tour durch die Villengegend. Die hochrangigen Pensionäremachen es sich im Ruhestand gemütlich in ihren gepflegten Heimen.«Die Häuserpreise sind siebenstellig, kein Haus darf wie das desNachbarn aussehen», erzählt «RJ». Aber es gibt nicht nur Altgedientein Coronado: Rund 160 000 Menschen in der Region haben mit demMilitär zu tun, als Soldaten und Angestellte. Die «Naval BaseCoronado» ist neben Norfolk in Virginia die größte US-Marinebasis.

Während ein großer Teil der Insel militärisches Sperrgebiet ist,ist das «Hotel Del» ein quicklebendiges Denkmal. Hier wohnt, wer Geldhat und prominent ist. US-amerikanische Präsidenten nächtigen inschöner Regelmäßigkeit mit Blick auf den weißen, feinsandigen Strand.Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass der englische König EdwardVIII. in den viktorianischen Gemäuern erstmals Wallis Simpson traf,damals eine reiche Ehefrau aus San Diego. Wegen ihr verzichtete erdann 1936 auf den Thron. Für Marilyn Monroe, Tony Curtis und JackLemmon war das Hotel der Drehort des Films «Manche mögen's heiß».

Ein weiteres Gerücht, Thomas Alva Edison höchstselbst habe dasHotel mit Elektrizität versorgt, haben Historiker allerdingswiderlegt. «Edison ist auch nur einmal Gast gewesen, 1915 zurPanama-Kalifornien-Ausstellung», sagt Hotelsprecherin Lauren AshDonoho. Diese Ausstellung zur Eröffnung des Panama-Kanals begründeteeine der Oasen in San Diego: den Balboa Park. Dort gibt es nicht nureine der größten Ansammlungen von Museen in den Vereinigten Staatenund den weltbekannten «San Diego Zoo». Die rund 5,6 Quadratkilometergroße Parkanlage ist auch die grüne Lunge der Stadt.

Den größten Anteil daran hat die Gärtnerin Kate Sessions. Sieverwandelte das wüste Buschland um das Jahr 1900 in mühevollerKleinarbeit in eine grüne, blühende Parklandschaft. Die Gebäude zurPanama-Kalifornien-Ausstellung entwarf der New Yorker ArchitektBertram Goodhue im spanischen Kolonialstil. Einige der Gebäudebeherbergen heute die Museen im Balboa Park.

Zwar kein Museum, aber durchaus geschichtsträchtig ist das Arealsüdwestlich des Balboa Parks, das heute «Gaslamp Quarter» heißt.Alonzo Horton kaufte hier, direkt am Wasser gelegen, 334 Hektar Landzum Spottpreis von 250 Dollar. «Er teilte das Land in einzelneParzellen und verkaufte sie für ein Vielfaches», erzählt Busfahrer«RJ». Aber Horton verkaufte nicht nur Land - er investierte auch indas Stadtbild. In den Zeiten des Goldrausches, in denen dieEinwohnerzahl auf gut 40 000 wuchs, war das ein lukratives Geschäft.

Vielen Kaliforniern gilt Horton als der «Vater San Diegos». Fürandere nehmen diese Rolle die Entdecker ein, die unter spanischerFlagge schon einige Jahrhunderte früher in San Diego die Ankerwarfen. Juan Cabrillo war 1542 der erste, ihm folgte 60 Jahre späterSebastián Vizcaíno, der dem Örtchen San Miguel den endgültigen NamenSan Diego gab. Gaspar de Portolá errichtete 1769 einen Militärpostenund der Franziskaner Junípero Serra die erste kalifornische Mission. Sie ist noch heute als «Old Town» zu besichtigen - einFreiluftmuseum, das das Leben der Siedler darstellt.

Das sichere Leben fernab des Meeres war allerdings nicht das, wassich Alonso Horton vorstellte. Seine Vision war das Leben am Wasser,eine Stadt am Meer. Während des kalifornischen Goldrausches ging seinPlan auf - als allerdings die Goldreserven erschöpft waren,schrumpften die Bevölkerung und deren Reichtümer. Die einst schickeund reiche Innenstadt wurde zu einem ausgedehnten Rotlichtviertel.

«Wyatt Earp, der legendäre Sheriff von Dodge City, war hierSaloon- und Spielhöllenbesitzer», erzählt Dan Flores, einer derGeschäftsführer der Gaslamp Quarter Association. Es gab Kneipen undOpiumhöhlen, die Prostitution lief im späten 19. Jahrhundert aufHochtouren: «120 Bordelle gab es in dem Viertel, das man damalsStingaree nannte», sagt Flores. Es hieß, man könne dort genausogestochen werden wie von den Stachelrochen (Stingaree), die in derBucht schwimmen.

Das historische Viertel war mehrere Jahrzehnte lang sich selbstüberlassen, ehe sich vor gut 30 Jahren eine Initiative gründete, dieden Stadtteil retten wollte. Heute ist «The Gaslamp» ein schickesViertel mit kleinen Geschäften, Theatern, Bars und Restaurants. DieGaslaternen sind alle neu - «damit wollen wir die 16 Blocksmarkieren, in denen früher das Stingaree war», sagt Flores.

Direkt neben den mehr als 120 viktorianischen Gebäuden bietet SanDiego Hochmodernes, etwa das Kongresszentrum, eine große Konstruktionaus Glas und Stahl, die an einrollende Wellen erinnert. Ein Stückweiter drängt sich eine Hand voll Wolkenkratzer, die man nur vomWasser aus richtig sehen kann. Eine richtige Skyline ergeben sie nochnicht - auch wenn San Diego heute die siebtgrößte Stadt der USA ist.Der Ort erstreckt sich über sehr viel Fläche - an der Küste und imHinterland. «Dadurch haben wir so viele Strände», sagt Timko. Und dasist wichtig in San Diego - für Einwohner und Touristen gleichermaßen.

Der äußerste Südwesten der Vereinigten Staaten: San Diego liegt ganz im Süden des Bundesstaates Kalifornien am Pazifik. (Foto: dpa)
Der äußerste Südwesten der Vereinigten Staaten: San Diego liegt ganz im Süden des Bundesstaates Kalifornien am Pazifik. (Foto: dpa)
Sven-E. Hauschildt