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USA USA: Dicke Fische in der Prärie

Von Margit Boeckh 21.09.2006, 20:39

Halle/MZ. - Doch schon bald war die Romanze zu Ende. Geblieben ist der Ort Medora, der sich inzwischen mit seinem zur Schau gestellten Wildwest-Charme samt Blockhäusern und plüschigen Saloons zum Touristenzentrum entwickelt hat. Mehr als 100 000 Besucher zieht es jedes Jahr in den äußersten Westen von North Dakota, um ein Western-Musical zu besuchen und an einem außergewöhnlichen Barbecue teilzunehmen, bei dem die Steaks auf Mistgabeln aufgespießt werden.

Dem Baron und seiner Medora begegnet man schließlich auch noch - wenn auch nur auf vergilbten Fotos in ihrem hölzernen Herrenhaus. Von hier eröffnet sich ein atemberaubendes Panorama: ringsum nur Grün unter strahlendem Himmelsblau, Bäume rauschen, Vögel zwitschern, leise wiegt sich Präriegras im Wind. In naher Ferne erheben sich bizarre Felsen im Theodore-Roosevelt-Nationalpark in den Badlands von North Dakota, durch die Herden von Bisons und Wildpferden ziehen.

Gary Greff lebt seinen eigenen Traum und lässt alle daran teilhaben, die des Weges kommen auf der Interstate 94. Als eine der einsamsten Autobahnen der Vereinigten Staaten durchzieht sie das unaufgeregt sanft gewellte North Dakota nahezu schnurgerade von Ost nach West. Auf einer windigen Anhöhe am Exit 72 nach Süden in Richtung des Prärienests Regent weisen fliegende Gänse auf den "Enchanted Highway", Garys "Zauberhafte Landstraße". Die über dreißig Meter hohen und 75 Tonnen schweren Gänse haben immerhin den Weg ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft, als größte Schrottskulptur der Welt. Einige Meilen später auf feldwegartigen Nebenstraßen trifft man auf weitere gigantische Stahlskulpturen: springende Rehe, Fische, Grashüpfer, Teddy Roosevelt als Western-Reiter. "Ich denke, wir werden damit weltbekannt und locken Touristen nach North Dakota", erklärt der freundliche Mittfünfziger im Kapuzenpulli sein Werk. Begonnen hat es der ehemalige Lehrer mit der "Tin Family", einer aus Ölfässern konstruierten Familiengruppe. Aus Spenden und den Erlösen seines Souvenir-Shops hat er das skurrile Projekt gegen nicht wenig Widerstand der bodenständigen Farmer-Nachbarn vorangetrieben. Das ist heute auf jeder Touristik-Karte von North Dakota verzeichnet. Was den Hobby-Künstler sicher sein lässt, dass auch sein nächstes Vorhaben glückt: "Ein schlossartiges Hotel, von dem aus man auf Fasanjagd gehen kann."

Manche Träume lassen sich in der großartigen Weite von North Dakota durchaus erfüllen, auch wenn es nur für ein paar Urlaubstage ist. Beispielsweise als Freizeitcowboy auf der Knife River Ranch. Erreichbar von der Interstate 94 / Exit 102 über etliche Meilen Schotterstraße, schmiegt sie sich idyllisch an den gleichnamigen Fluss. Rund 400 Rinder und dreißig Pferde leben hier, daneben stehen ein paar Blockhütten für Touristen. Lois Wanner betreibt die Ranch nach dem Tod ihres Mannes mit ihren beiden Söhnen und lässt sich gerne auch mal von ihren Gästen beim Viehtreiben helfen. "Wer nicht reiten kann, der lernt es hier. Versprochen!" versichert Lois. Wildwestatmosphäre pur gibt es abends am Lagerfeuer, mit einem sternenvollen Himmel und Kojotengeheul zum Schlafengehen inklusive.

Sich für wenige Dollar einmieten und die großartige Weite des Landes erleben kann man auch an einem ganz und gar ungewöhnlichen Ort - in der "Assumption Abbey", dem Kloster in der Prärie. 1887 haben es Benediktinermönche im Umfeld deutscher Siedler nahe Richardton im Südwesten von North Dakota gegründet. In beigem Backstein ragt das Kirchengebäude über das brettflache Land. Die als "bayerisch-romanisch" bezeichnete Stilrichtung scheint architektonisch ebenso gewagt wie seinerzeit das Vorhaben, diese Bastion des Glaubens mitten in die Einöde zu setzen. Im Speisesaal nehmen die Gäste gemeinsam mit den Klosterbrüdern die Mahlzeiten zu sich. Vom Panoramafenster aus schaut man über die Prärie. Endlos weit, ein Ausblick zum Träumen, wie eine ewige Andacht. . .