Urlaubszeit Urlaubszeit: Ferien verursachen Fernweh
Wittenberg/MZ. - Am liebsten fährt Klaus Müller im September nach Andalusien. "Dann ist dort das Klima sehr angenehm", erklärt der Wittenberger und schwärmt von 28 Grad im Süden, während in Wittenberg gestern der Regen die Straßen beinahe leer spült. Nur wenige Passanten sind unterwegs, und ihre Schirme tragen sie wie Schutzschilde. Trotzdem stellt Anne Krausemann in der Schloss-Straße die Stühle vor das Restaurant, in dem sie beschäftigt ist. "Ich war schon im Urlaub", erzählt sie. Zwei Wochen Ostsee und "Bombenwetter", wie sie sagt.
In der benachbarten Stadtbibliothek geht zurzeit vor allem Reiseliteratur sehr gut. Besonders beliebt sind Reiseführer über Spanien, weiß Christa Wiesner. Aber auch ferne Urlaubsziele scheinen hoch im Kurs zu stehen. "Bali, USA, Kanada, Malediven, Afrika", zählt die Bibliotheksmitarbeiterin die Träume ihrer Kunden auf. Sie betont allerdings, "dass man nicht wissen kann, ob die Leute tatsächlich dorthin fahren". Dagegen sprechen Statistiken, die kürzlich durch den deutschen Blätterwald rauschten. Marktforscher hatten erkannt, dass von 100 Deutschen heuer 30 zu Hause bleiben. Als Gründe wurden Arbeitslosigkeit und finanzielle Engpässe genannt.
In Wittenberger Reisebüros wird dieser Befund zum Teil bestätigt. "Die Buchungen sind zurück gegangen", sagt Hendrik Hörner, der dafür indes nicht nur die Arbeitslosenrate verantwortlich macht. "Es ziehen auch immer mehr Leute von hier fort", betont er. Ansonsten sei in seinem Büro die Türkei der "absolute Renner". Dagegen sind Urlaubsziele innerhalb Deutschlands weniger gefragt. "Zu teuer", kommentiert Hörner. Vor allem Familien mit Kindern könnten gerade im südlichen Ausland gut und preiswerter Ferien machen. Leuten mit schmalem Budget empfiehlt der Fachmann so genannte All-inclusive-Arrangements, "weil da alles genau kalkuliert werden kann". "Langfristig buchen", rät Anke Mingo von Sara-Reisen. Das sichere "Frühbucher-Rabatte".
Rechnen muss auch Mario Deibicht. Erstens betreibt der junge Mann am Wittenberger Marktplatz einen Imbiss, den er gerade jetzt, wo viele Touristen in die Lutherstadt kommen, nicht im Stich lassen kann. Und zweitens: "Ich bin vor wenigen Tagen Vater eines Sohnes geworden." Da sei der Urlaub für die nächsten Jahre sowieso perdu. Deibicht: "Ich spare jetzt lieber." Sparsam war auch Annett Tauscha aus Prettin. Eine Woche Allgäu hat sich die junge Frau gegönnt. Für mehr "hat das nötige Kleingeld gefehlt", räumt sie ein.
Und wohin zieht es die prominenteren Bewohner aus Wittenberg und Umgebung? Christine Grabbe, Geschäftsführerin der Stiftung Leucorea: "Wir fahren wie fast immer nach Südtirol." Wittenbergs Oberbürgermeister Eckhard Naumann war schon weg. "Wir haben eine Fahrradtour durch die Masuren gemacht", verrät seine Frau Monika Naumann. 500 Kilometer in neun Tagen. Stark. Und Hartmut Dammer, neuer Chef im Landratsamt? "Für mich fällt der Urlaub vorerst aus. Ich will die Sommerpause nutzen und mich hier einarbeiten."