Totenopfer und Seelenmaß an Allerseelen
Augsburg/dpa. - Brotopfer für die armen Seelen bestimmten lange die religiöse Tradition an Allerseelen (2. November). Heute erinnern nur noch symbolische Gesten im Rahmen der Seelenmessen an dieses Brauchtum.
Bis ins frühe letzte Jahrhundert wurden Anfang November Seelenbrezen an Grabkreuze gehängt. Der Augsburger Heimatpfleger Walter Pötzl beschreibt diesen Brauch so: «Das Brotopfer am Grab geschieht der armen Seelen wegen. Im Volksglauben war die Vorstellung fest verwurzelt, dass die Toten an Allerseelen für kurze Zeit an den Ort ihres früheren Lebens zurückkehren und dann wie Lebende Anspruch auf Speis und Trank haben.»
Das große Totengedächtnis an Allerheiligen und Allerseelen geht auf den Abt Odilo von Cluny (994-1048) zurück. Er hatte für alle seine Klöster bestimmt, dass am Tag nach dem Allerheiligenfest das Gedächtnis aller verstorbenen Gläubigen durch Messen, Psalmen und Almosen zu begehen ist. Bis sich dieses Totengedächtnis aber durchgesetzt hat, vergingen noch Jahrhunderte. Die ältesten Kalender der Diözese Augsburg aus dem 12. Jahrhundert kennen Allerseelen als Totengedenktag noch nicht. Erst im 15. Jahrhundert und dann im späten Mittelalter wurde der Arme-Seelen-Kult am 2. November beherrschend.
Die ursprünglich den Toten zugedachten Speisen wurden an Arme verteilt. Im 17. Jahrhundert wurde das Mehl an Allerheiligen zu den festen Einkünften von Lehrern und Mesnern gerechnet, berichtet Pötzl. So ist aus dem Jahr 1617 belegt, dass die Schulmeister von Zusmarshausen und Dinkelscherben das an Allerseelen geopferte Mehl zur Lehrerbesoldung erhielten. Zum Allerseelengebäck gehörte auch der Seelenwecken. Dieser als Zopf gebackene Teig - er sollte ein Abbild der Seele darstellen - wurde vor allem im Allgäu den Kindern nach dem Friedhofsgang von den Patenonkeln geschenkt.
Die «Seelenmaß» als typisch bayerischer Allerheiligenbrauch gibt es nur noch in alten Aufzeichnungen. Wirtshäuser auf dem Land gaben an Allerheiligen an ihre Stammgäste eine Maß Freibier aus. Vor dem ersten Schluck hieß es nicht wie üblich «Prost», sondern: «Vergelt's Gott für die armen Seelen». Und noch ein vergessener Brauch: An Allerseelen durften Türen nicht fest zugeschlagen werden, weil eine arme Seele eingeklemmt werden könnte, die kurz zurück gekommen ist.
Der «düstere November» mit dem Totengedenken, Volkstrauertag und Totensonntag hat mystische Wurzeln. Nach keltischer Vorstellung endete mit dem Monatsbeginn die Herrschaft des Sonnengottes. Der Totengott übernahm das Regiment und begleitete die in diesem Jahr Gestorbenen ins Totenreich. Die Kelten glaubten, mit Feuer und Hexenmasken böse Geister und Dämonen vertreiben zu können, damit die guten Seelen zu ihrer Ruhe kommen. Die in Mode gekommenen Halloween- Feste gehen auch auf diese mystischen Ursprünge zurück. Dazu gehört das Aushöhlen frischer Kürbisse zu Totenköpfen, die von innen mit einer Kerze beleuchtet werden und in der oft nebligen Dämmerung ein dämonisch-fratzenhaftes Grinsen zeigen.