Tennis Tennis: Kohlschreiber gewinnt Rekord-Match bei US-Open
New York/dpa. - Nach dem Rekordmatch für die US-Open-Geschichtsbücher war für Philipp Kohlschreiber an Schlaf erst einmal nicht zu denken. «Keine Ahnung, wann ich ins Bett gehe und ob ich schlafen kann. Jetzt gibt es erst einmal 45 Minuten Massage, dann fahr ich ins Hotel, vielleicht wird es gegen 5 Uhr was», sagte der 28-Jährige nach seinem beeindruckenden Auftritt in New York, mit dem er beim vierten Grand-Slam-Turnier des Jahres erstmals das Achtelfinale erreichte.
Die überdimensionale Digitaluhr im nur noch spärlich gefüllten Arthur-Ashe-Stadium zeigte 2.26 Uhr am frühen Montagmorgen, als Kohlschreiber beide Arme in die Luft reckte, einmal kräftig durchpustete und sich für seinen größten Erfolg bei den Grand-Slam-Festspielen in Flushing Meadows feiern ließ.
Mit starken Nerven, variablem Spiel und vor allem ganz viel Geduld hatte Deutschlands bester Tennisspieler den Weltranglisten-Zehnten John Isner nach 3:20 Stunden Spielzeit in fünf Sätzen mit 6:4, 3:6, 4:6, 6:3, 6:4 niedergerungen. Zum ersten Mal in seiner Karriere durfte der Augsburger in das mit 23 771 Plätzen größte Tennisstadion der Welt, zum ersten Mal zog er in New York ins Achtelfinale ein.
«Es war toll. Ich habe gegen die Nummer eins von Amerika mein bestes Ergebnis hier geschafft. Ich bin überglücklich und will so lange bleiben, wie es geht», sagte Kohlschreiber. Nächster Gegner ist der an Nummer neun gesetzte Serbe Janko Tipsarevic. «Das wird sicher nicht leicht, aber ich glaube nicht, dass er mich vom Platz schießt. Es ist bestimmt was drin für mich», sagte der Ranglisten-20.
Wenn er so spielt wie phasenweise gegen den 2,06 Meter langen Hünen Isner, muss er auch vor Tipsarevic nicht in Ehrfurcht erstarren. Nach seinem eher mühsamen Gang in die dritte Runde gelang es Kohlschreiber erstaunlicherweise ausgerechnet auf dem Center Court gegen einen nationalen Liebling nahezu perfekt, seine Konzentration zu bewahren und sich nicht verunsichern zu lassen. «Spielerisch war es ein extremer Leistungsschub», sagte Kohlschreiber.
Egal ob die Zuschauer seine Fehler beklatschten, während der Ballwechsel auf den Tribünen hin- und hertobten oder in den Pausen wahlweise «USA, USA», «Yes, we can» oder «Go, Johnny go» intonierten - Kohlschreiber wirkte bis zum Ende fokussiert.
Nur einmal, nach dem gewonnenen ersten Satz, war er kurz irritiert und marschierte auf die falsche Seite des Platzes. Da hatte er gerade auf der Videoleinwand einen Fan beobachtet, der wie ein Derwisch auf den Rängen tanzte und von den Kameras eingefangen wurde. «Das sind die verrücktesten Tennisfans. Es ist doch schön, wenn die Leute hier so viel Spaß haben», kommentierte Kohlschreiber.
Weniger Spaß hatte am Ende der genervte und von Kohlschreibers Spiel zermürbte Isner. Im fünften Satz schoss er zunächst einen Ball wutentbrannt auf die Tribüne, anschließend behandelte er seinen Schläger auf dem Hartplatz-Boden bis zur Spieluntauglichkeit und kassierte sogar einen Punktabzug. Die Anzeige sprang schließlich auf 2.26 Uhr um, als Kohlschreiber seinen ersten Matchball nutzte und den US-Open-Rekord für die späteste Nachtschicht egalisierte.
Am 4. September 1993 standen Mats Wilander und Mikael Pernfors in der zweiten Runde der Offenen Amerikanischen Meisterschaften schon einmal bis 2.26 Uhr auf dem Platz. «Ich war so gepusht von der Atmosphäre», berichtete Kohlschreiber später erschlagen und erleichtert. «Da wird man nicht müde, man schaut nicht auf die Uhr.»