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Tennis-Geschichte Tennis-Geschichte: 20 Jahre Wimbledon-Doppelsieg Graf und Becker

Von Hans-Rüdiger Bein 18.06.2009, 15:29
Freudestrahlend präsentieren Steffi Graf und Boris Becker (Archivfoto vom Juli 1989) ihre Trophäen. (FOTO: DPA)
Freudestrahlend präsentieren Steffi Graf und Boris Becker (Archivfoto vom Juli 1989) ihre Trophäen. (FOTO: DPA) Press Association

London/Berlin/dpa. - Und nicht einmal drei Stundenspäter hörten die 14 000 Tennis-Fans «Game, Set, Match, Becker».Geschlagen in den Finals, die wegen Regens beide am Sonntagausgespielt wurden, waren Martina Navratilova (USA) und Stefan Edberg(Schweden). In der Dämmerung dieses für den deutschen Sport vor 20Jahren historischen Tages strahlten Steffi Graf, damals 20, und BorisBecker, damals 21, wie glückliche Königskinder im Blitzlicht der«viewing line», der traditionellen Wimbledongasse für dieSchaulustigen, direkt vor den von Efeu umrankten Mahagoni-Türen des«All England Lawn Tennis and Croquet Clubs».

Boris Becker sagte, die Leute würden erst merken, was dieserzweifache Triumph im Dreistundentakt bedeutet, «wenn wir beideGroßvater und Großmutter sind». Im Telegrafenraum der Katakombentickerten derweil die Glückwünsche von Bundespräsident Richard vonWeizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl ein.

112 Jahre Wimbledon mussten gespielt werden bis zu diesemdeutschen Doppelschlag an einem Tag an der würdigsten Stätte desTennissports. Deutsche Grand-Slam-Siege im Zweierpack hatte es zuvorin den Einzel-Wettbewerben nur durch Hilde Sperling und Gottfried vonCramm 1936, sowie durch Hilde Sperling und Henner Henkel 1937,jeweils in Paris, aber fein säuberlich getrennt am Samstag undSonntag gegeben.

Auch sonst wurde nach dem Graf-Becker-Coup tief in der deutschenSportgeschichte gegraben. Eilig fragten im Presseraum internationaleJournalisten die deutschen Kolleginnen und Kollegen, ob denn dieserTag vergleichbar sei mit den Erfolgen eines Max Schmeling oder derSensation des 3:2 über Ungarn im Finale der Fußball-WM 1954? Und wieweit liegen denn Leimen und Brühl auseinander, wo die «GermanWunderkinder» herkommen, wurde viel gefragt.

Es war in jeder Hinsicht ein besonderer Tag. Auf dem nach 14 Tagenharter Kämpfe braun und niedergetretenen Gras hatte sich Steffi Graf,die sonst so Beherrschte, gegen die große Navratilova vollerLeidenschaft und Emotionen gezeigt wie sonst eigentlich nie. Mehrmalsschrie «Fräulein Vorhand» auf und zeigte bei kniffligen Punkten fastso etwas wie die «Becker-Faust». Unmittelbar nach dem 6:2, 6:7, 6:1schüttelte ein Tränenausbruch Steffi Graf. Auch als sie den begehrtenSilberteller aus der Hand der Herzogin von Kent dann für Publikum undFotografen in die Höhe riss, hatte sie noch feuchte Augen.

Verkehrte Welt dagegen im Becker-Finale. Der gerade an dieserStätte mit seinen vielen Hochs und Tiefs, seinen Hechtsprüngen undden intensiven Zwiegesprächen mit Linien- und Schiedsrichtern soemotionale Rotschopf aus Leimen wirkte diesmal noch um einige Gradkühler als der schon immer überdisziplinierte Stefan Edberg auf deranderen Netz-Seite. Als Becker den Matchball zum 6:0, 7:6, 6:4 miteinem klassischen Service-Winner nach schwachem Return des Schwedenperfekt machte, hockte er, eine lange Minute ganz wie in sich selbstzurückgezogen, auf seinem Stuhl, faltete die Hände und blickte zumHimmel. Die schwarzen Wolken hatten dicht gehalten, nur fünf Minutennach dem Matchball fiel der Regen und alles wäre vielleicht ganzanders gekommen. Die Fotografen mussten Becker laut schreiend zueinem Lächeln auffordern.

Die internationale Presse feierte die Deutschen. Selbst dieBriten, die Becker früher schon einmal aus einer Mischung ausBewunderung und Abschätzigkeit einen «verrückten deutschenHolzhacker», «German Panzer» oder auch nur «Metzger» nannten,titelten nun fast einhellig mit «King Boris» und «Queen Steffi». DerMailänder «Corriere dela Sera» schockte die Engländer ein wenig mitder Frage «Sind wir sicher, dass Wimbledon in England liegt?»

Das ganz Besondere dieses Sonntags vor 20 Jahren war nach demGala-Auftritt in der «viewing line», Steffi und Boris Arm in Arm,links der Silberteller, rechts der Goldpokal, auch noch spät in derNacht beim Champions Dinner zu spüren. An der hellblauen Wand desSpiegelsaales im edlen Londoner Savoy-Hotel symbolisierten erstmalszwei deutsche Flaggen das Einmalige.

Doch fast wäre dieses «Dinner for two» zum «Dinner for one»geworden, denn Boris Becker rückte im Smoking und gestylter James-Dean-Frisur erst kurz vor elf an, als die Lachspastete und dieWachteln in Teig mit Traubensoße schon durch waren. Es wurde danndoch noch eine wunderbare Feier mit noch größeren Tennis-Größen wieder damals 93-jährigen Kitty Godfree und dem ersten Grand-Slam-Gewinner der Geschichte, dem Amerikaner Donald Budge. Und weil esschon so spät war, blieb dem jungen Traumpaar des Abends der beinahezu allen Tennis-Legenden bis heute höchst verpönte Ehrentanzerspart, zum Glück, wie beide versicherten.

Die Kombo zeigt links Boris Becker am 07.07.1985 und rechts Steffi Graf am 02.07.1988, jeweils nach ihren ersten Siegen bei den All England Championships in Wimbledon. (FOTO: DPA)
Die Kombo zeigt links Boris Becker am 07.07.1985 und rechts Steffi Graf am 02.07.1988, jeweils nach ihren ersten Siegen bei den All England Championships in Wimbledon. (FOTO: DPA)
dpa