Tennis Tennis: Florian Mayer ist das neue «German Wunderkind»
London/dpa. - Erst wurde er ignoriert, dann als «Junge, deraussieht, als wolle er gleich anfangen zu weinen», belächelt. Dochder unscheinbare Debütant Florian Mayer ist in Wimbledon zum neuen«German Wunderkind» geworden, das die angesehene «Times» nach seinemfuriosen Durchmarsch ins Viertelfinale der 118. All EnglandChampionships in ihrer Dienstag-Ausgabe schon in einem Atemzug mitSteffi Graf und Boris Becker nennt. «Er ist der neue Star desdeutschen Tennis. Und Achtung! Vergesst nie die Regel sieben, die daheißt: Unterschätzt die Deutschen nicht.»
Dass der 20 Jahre alte Novize auf dem «Heiligen Rasen» an derChurch unterschätzt wird, haben zuletzt die favorisierten WayneFerreira und Joachim Johansson zu spüren bekommen. Als es gegen denaufschlagstarken Schweden im Achtelfinale drauf ankam, returnierteMayer nicht nur großartig, sondern servierte wie sein Gegenüber 24Asse und damit so viele wie noch nie in einem Match. «Sensationell.Ich war überrascht über meinen Aufschlag», meinte er bescheiden.
«Mayer zeigt keine Nerven und sorgt für die Wiedergeburt desdeutschen Tennis», schrieb die «Times». Im aussichtsreichenViertelfinale gegen den Franzosen Sebastien Grosjean schlägt derbodenständige Oberfranke nun erstmals vor großem Publikum auf einemder beiden traditionsbeladenen Center Courts auf. Das könnte seingrößtes Problem gegen den Vorjahres-Halbfinalisten sein.
«Florian wird immer dann nervös, wenn er auf einem großen Platzspielen muss», weiß Trainer Ulf Fischer. Der erfahrene Coach, denBoris Becker «den Besten in deutschen Landen» nennt, ist bis zumBeginn der Partie an diesem Mittwoch besonders gefordert. Denn dasssein Schützling die spielerischen Mittel besitzt, sogar insHalbfinale zu stürmen, wo Titelverteidiger Roger Federer aus derSchweiz wohl der Gegner wäre, bezweifelt Fischer nicht.
«Total abschalten und an was ganz anderes denken als an Tennis»,rät der dreimalige Champion Becker, der bei seinem ersten Titelgewinn1985 gleichsam aus dem Nichts kam. Derlei Vergleiche schmecken Mayerüberhaupt nicht. «Ich will mich nicht auf irgendwelchen Lorbeerenausruhen», sagt der beste deutsche Grand-Slam-Spieler der Saison.
Mayer will auf dem Teppich bleiben, «keine Dummheiten machen undmich hundertprozentig auf mein Tennis konzentrieren». Seinbeispielhaftes Umfeld hilft ihm dabei. Die Eltern («mein Vater istLehrer, meine Mutter selbstständig») seien nicht erfreut gewesen, alser nach der Mittleren Reife Tennisprofi wurde. Ein Angebot von BorisBeckers Junior Team lehnte er vor fünf Jahren ab, weil er nicht vonZuhause weg wollte. Seit zwei Jahren ist Fischer sein Privattrainer.Der hoch gelobte Coach hat schon Hendrik Dreekmann bei den FrenchOpen und Alexander Radulescu in Wimbledon ins Viertelfinale geführt.
Begonnen hatte die Zusammenarbeit unter dem Dach des DeutschenTennis Bundes (DTB), für den Fischer inzwischen nicht mehr arbeitet.«Wir sind stolz auf Florian Mayer», sagte DTB-Präsident Georg vonWaldenfels, der zum Viertelfinale einfliegen wird. Vorher will derTennis-Chef aber noch einen Brief an NOK-Präsident Klaus Steinbachschreiben, damit der momentan erfolgreichste deutsche Tennisprofidoch noch für Olympia nominiert wird. «Er hat es verdient, in Athenzu spielen. Er muss eine Wildcard bekommen.»