Stuttgart Stuttgart: Abschied vom alten Image: Beats und Bars statt Besen

Stuttgart/dpa. - Aus dem Manko, im Krieg stark zerstört und danach durch die Abrissbirne mancher Sehenswürdigkeit beraubt worden zu sein, zieht die Stadt auch ihren Vorteil: Die Treffs der Szene liegen oft in alten Reisebüros und Lagerhallen, in Rohbauten oder in Kellern moderner Bürogebäude.
«Alles, was im Rahmen der Sperrstunde erlaubt ist, geht auch in Stuttgart», sagt Arne Braun, Chefredakteur der Monatszeitschrift «Lift». Auch die stets belächelte Lage im Talkessel kommt dem Stuttgarter beim Staffellauf von einer Kneipe zur nächsten Lounge zu Gute. Selbst Tanztempel wie der «Perkins Park» am vermeintlichen Stadtrand sind schnell zu erreichen. In unmittelbarer Nachbarschaft am Messegelände hat sich das «Prag» als Anlaufstelle für HipHop-Freaks etabliert. Club-Champion in der Szene ist das «Zapata» in einer alten Fabrikhalle: Hier warten Galerie, Bühne, Kulisse, Tanztempel und Lounge auf ein gemischtes Publikum. Der Club «M1» zieht dagegen eher die Jüngeren an.
Noch verhältnismäßig jung, aber dominant zeigt sich die «Suite 212» an der Theodor-Heuss-Straße mit ihren drei Glaswänden und den Videokunst-Bildschirmen über der Theke. Auf der anderen Straßenseite buhlt ein Lounge-Quartett um seine Gäste, darunter der «Tearoom» und das «Barcode». In der «Conditorei» an der Firnhaberstraße 5 erinnert nur noch der Name an den früheren Pächter, eine griechische Bäckerei. Szenig und gestylt geht es dort heute zu, die eher jungen Gäste hängen im Schaufenster auf Sitzkissen ab und hören chillige Takte.
Die gemütlichste Ecke des Viertels finden Nachtschwärmer im «Bett», wo mit Tierfell überzogene, lauschige Schlafstätten an Werktagen zum Chill Out nach der Arbeit locken. Am Wochenende feiern Ausgeschlafene im Club bei bunt gemixter Musik bis in die Morgenstunden (Friedrichstraße 23a). Vor dem «Palast der Republik» (Friedrichstraße 27), einem Toilettenhäuschen aus dem 19. Jahrhundert, sitzt, steht und liegt vor allem in den warmen Sommermonaten das vorwiegend jüngere Publikum.
Im früheren Striptease-Schuppen «Hi» (Nadlerstraße 20) können die Gäste zwischen Tanzstange und Theke an einigen Abenden sogar selbst ihre Platten auflegen, an anderen ist das Staatstheater mit kleineren Inszenierungen zu Besuch. Einige Meter weiter kann in der Steinstraße der «Erste Stock» beim Wort genommen werden: Trotz seiner völligen Schlichtheit in Wohnzimmer-Atmosphäre inklusive einer Dusche zählt die Bar zu den Insider-Tipps für die «Schicki-Micki-freie Szene».
Zwei neue Läden haben in den vergangenen Monaten die Stuttgarter Club-Landschaft aufgewühlt: Im «Schocken» wird auf drei offenen Etagen alles von der designten Theken über den Cocktail und das Rockkonzert bis hin zum Platten-Auflegen geboten. Den Marktplatz vor dem Betonklotz der Stadtverwaltung belebt neuerdings das «Scholz». Bis zum Abend fühlen sich hier vor allem die Kaffee- und Kuchenfreunde beim Schwätzchen zu Hause, abends wird aus dem Café eine Lounge.