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Statt Klavierspielen zur Sportschule

Von Michael Pietsch 13.12.2004, 21:27

Halle/Thale/MZ. - Irgendwann, wenn sie mal so richtig alt sind, wollen Harald und Gisela Seifert ein Buch schreiben. Klar: Um die eigene Familie muss es gehen, und natürlich den Sport. Denn der prägt seit jeher ihr Leben. "Aber wo fangen wir an, und wo hören wir auf?" Harald Seifert bekommt beim Gedanken an dieses Zukunftsprojekt leichtes Magengrummeln. Und das hat der drahtige Mann, der zu den besten Bobfahrern der DDR zählte, Europa- und Weltmeister war und heute am Thalenser Gymnasium Geographie, Ethik und - natürlich - Sport unterrichtet, höchst selten.

Schon gar nicht, wenn im schmucken Häuschen in Thale mal wieder ein multi-sportliches Familientreffen angesagt ist: mit Ex-Mehrkämpfer Raiko (24), der als "Wolf" beim SV MBC ebenso Basketball spielt wie der auch das Speerwerfen beherrschende Stefan (20), mit dem seit zwei Jahren an der halleschen Sportschule lernenden und zu den Sprint- und Sprunghoffnungen von Trainerin Irmgard Harz zählenden "Nesthäkchen" Vico (14). Und natürlich mit dem Korbjägerinnen-Trio von Bundesligist SV Halle: Tochter Sandra (26 / zuvor Ruderin und Schwimmerin), Raikos Frau Franzi (ehemals Demuth) und Haralds Nichte Karin (22). "Da geht's richtig rund. Das Schönste bei uns ist aber, dass man sich gegenseitig den Rücken frei hält. Da wird sogar mal ein Auto ausgeborgt, und zwar ohne Bedenken", sagt schmunzelnd Harald Seifert, der vor 26 Jahren den Bobhelm an den Nagel hängte und heute bei Stahl Thale Volleyball spielt oder mit dem Mountainbike im bergigen Umland seine Fitness schult.

"Füreinander da sein, das ist bei uns Grundprinzip", unterstreicht seine Frau. Die Gymnasiallehrerin für Sport und Bio ist nur in einem abtrünnig: Drei Mal pro Woche frönt sie ihrem leichtathletischen Hobby - "nicht hier in Thale, sondern bei GuthsMuths Quedlinburg." Nervte ihre Kinder eigentlich der permanente Sport-Bezug? "Nein. Bei uns wurde eben nicht Klavier gespielt, sondern Sport getrieben. Ohne Zwang", betont Gisela Seifert, früher eine Klassenkameradin von Wurf-Bundestrainerin Maria Ritschel. "Wir sind alles Kinder der halleschen Sportschule. Harald und ich, wir haben uns dort kennengelernt. Und als Sandra, auch aus Abenteuerlust, nach Halle ging und mit dem Rudern begann, hatte das Sogwirkung auf Raiko und später Stefan. Vico konnte noch nicht richtig laufen, da wollte er schon seinen Geschwistern folgen." Stolz schwingt mit, als Gisela Seifert sagt: "Der Weg war richtig. Unsere Kinder sind offene, selbstbewusste Menschen geworden. Und sie sind auch für uns da."

Wenn die Seifert-Saga irgendwann erscheint, ist eine Episode sicherlich dabei: 1978, Bob-WM in Lake Placid - vor dem vierten und entscheidenden Lauf. Harald Seifert erinnert sich: "Es war der 11. Februar. Direkt neben dem Start rief DTSB-Chef Manfred Ewald rüber: ,Los, Tempo. Ihr habt jetzt einen jungen Vater an Bord!' Und der war ich. Meine Frau hatte kurz vorher aus der Heimat angerufen und von Sandras Geburt berichtet. Also rasten wir zum Titel."