Software-Ergonomie Software-Ergonomie: Kampf gegen den Frust am Arbeitsplatz
Dresden/gms. - «Der Mensch steht im Mittelpunkt. Die Technik hat sich an denMenschen anzupassen - und nicht umgekehrt»: So formuliert ProfessorRüdiger Liskowsky vom Institut für Software- und Multimediatechnikder Technischen Universität Dresden die Kernaussage desForschungsgebietes Software-Ergonomie. Eine Bildschirmanzeige seidann ergonomisch, wenn der Benutzer sofort wisse, wohin er mit derMaus zu klicken habe, um sein Ziel zu erreichen. «Wir befassen unsdaher mit dem gesamten Kreislauf der menschlichenInformationsverarbeitung: Wie nimmt der Mensch Informationen auf, wieverarbeitet er sie, und wie ist sein Gedächtnis organisiert»,erläutert Liskowsky.
Neben dem Menschen und der Schnittstelle zwischen Mensch undComputer gehört auch die Auswertung von Software zum Fachgebiet.So arbeitet Liskowski mit einem «Eyetracking»-System, das dieBewegungen der Augen beim Betrachten eines Bildschirms aufzeichnet.
«Unsere Hypothese besagt, dass eine Internet-Seite schlecht gebautist, wenn der Nutzer oft hin und herschauen muss», so derLehrstuhlinhaber. Verweilen die Augen des Betrachters jedoch an einerStelle, dann sei die Information beim Betrachter sofort angekommen.Neben solchen experimentellen Verfahren werden in derSoftware-Ergonomie häufig auch Menschen an ihrem Arbeitsplatzbeobachtet, um festzustellen, wie sie mit den Programmen auf ihremComputer umgehen.
In Normen und in einer Vielzahl von Richtlinien sind Grundlagender Software-Ergonomie festgelegt. Am bedeutendsten ist Teil zehn dereuropäischen Norm ISO 9241, der für alle Software-Entwicklerverbindliche Grundsätze zur Dialoggestaltung enthält. «DieseKriterien sind sehr offen beschrieben, weil sie immer in einembestimmten Anwendungskontext betrachtet werden müssen», erläutertFrank Hohenschuh, Software-Ergonom und Mitarbeiter beimTechnologietransferzentrum HITeC der Universität Hamburg.
So wird in der ISO-Norm «Selbstbeschreibungsfähigkeit» gefordert.Dahinter verbirgt sich, dass jeder Dialogschritt verständlich istoder dem Benutzer auf Anfrage erklärt wird. «DieSelbstbeschreibungsfähigkeit wird zum Beispiel verletzt, wenn derBenutzer bei Windows auf den Start-Knopf klicken muss, um dasProgramm zu beenden», erläutert Hohenschuh. Auch unspezifischeFehlermeldungen, die dem Benutzer keinen Hinweis geben, wie er mitder Ausnahmesituation umzugehen habe, seien ein Verstoß gegen dieRichtlinien der Euro-Norm.
Die Bedeutung der Software-Ergonomie wächst, weil heutzutageSoftwaretechnik ein bedeutender Teil der Arbeitsgestaltung ist.Nicht-ergonomische Software führt oft zu Frustration:«Arbeitspsychologen haben festgestellt, dass diese Frustration bei VWund Volvo viele Krankmeldungen nach sich zog», so Hohenschuh.Außerdem sinke die Produktivität der Unternehmen deutlich, wennArbeitnehmer frustriert vor ihren Computern sitzen, weil sie mitbestimmten Programmen nicht zurechtkommen.
Viele Software-Hersteller haben die Bedeutung ergonomischerProgramme längst erkannt. «Unser Ziel ist es, alle unsere Produkteintuitiv bedienbar zu machen», sagt Uwe Braun, Technischer Leiter derSoftwareentwicklung bei dem Unternehmen Data Becker in Düsseldorf.Sämtliche Autoren arbeiten dort mit gemeinsamen Grundlagen, umAussehen und Bedienung aller Programme des Softwareherstellersmöglichst einheitlich zu gestalten.
Wer sich als Anwender über die komplizierte Bedienung bestimmterProgramme ärgert, hat praktisch keine Chance, sein Geld für dieSoftware zurückzubekommen. «Der Kunde sollte jedoch sensibilisiertsein. Es wird zum Beispiel keiner gezwungen, ein Programm zu kaufen,das englische Fehlermeldungen anbietet oder sich nicht an diepersönlichen Bedürfnisse anpassen lässt», so Hohenschuh. Auf demSoftware-Markt herrsche ein Wettbewerb, in dem sich nur die Programmemit der größten Kundenzufriedenheit durchsetzen.