Ski alpin Ski alpin: Der umstrittene Hoffnungsträger Marcel Hirscher
Schladming/mz. - Neulich auf einem Parkplatz in Salzburg machte Marcel Hirscher Bekanntschaft mit der Kehrseite des Ruhmes. Schneetreiben herrschte, er kam spät zu einer vereinbarten Autogrammstunde. Also wies ihm der Gastgeber fix den nächsten Parkplatz zu, und als Hirscher ausstieg, sah er, dass der eigentlich Behinderten vorbehalten war. Hirscher sagte also kurz Bescheid, dass er noch schnell das Auto umstellt, da kam prompt ein Passant vorbei, fotografierte ihn samt Auto und sagte: "Bist ein schönes Arschloch, Hirscher. Das gibt eine tolle Schlagzeile."
Seit der Skirennläufer in der vorigen Saison zum Gesamtweltcupsieger aufgestiegen ist, zum Besten aller Disziplinen, ist das Leben komplizierter geworden. Hirscher ist nun so etwas wie der Mario Götze Österreichs: ein junger Aufsteiger, der Hoffnungen wie Neid gleichermaßen nährt.
Ärger nach Twitter-Beitrag
Obwohl er erst 23 Jahre alt ist, gestattet sich Hirscher, den unangepassten Skihelden zu geben. "Wir leben in einem geilen Land mit tollen Menschen. Wir hätten allen Grund, selbstbewusste Österreicher zu sein", sagte er der Sportwoche, "stattdessen leben wir in einer Neidgesellschaft, in der mit Vorliebe gesudert wird."
Bei der WM in Schladming hat sich die Lage noch ein wenig zugespitzt. Darf man der veröffentlichten Meinung Glauben schenken, dann hängt in dieser Woche das Wohl und Wehe einer ganzen Nation plötzlich nur an Hirscher. Weil das Gastgeberland bisher nicht annähernd den hohen Ansprüchen genügt. Bestimmt rief daher die Kronenzeitung den Notstand aus: "Jetzt kann uns nur noch Marcel retten."
Der hatte sich, während die Kollegen im Rampenlicht in Serie scheiterten, fünf Tage lang zurückgezogen, trainiert, sich einen Tag eine Skitour gegönnt, einen Pause und einen im Fitnessstudio. Und ganz beiläufig hatte er aus der Entfernung die Krise sogar noch verschärft. Als beim Super G der Amerikaner Ted Ligety triumphiert hatte, wie Hirscher ein Technikspezialist, der sich auf den Riesenslalom eigentlich besser versteht, hatte Hirscher getwittert: "Gratuliere Ted!!! Diesen Lauf wäre ich auch gern gefahren…"
Cheftrainer Mathias Berthold fühlte sich in Rechtfertigungsposition gedrängt und auch die Kollegen schossen. "Unnötig", grollte Abfahrts-Weltcupsieger Klaus Kröll, "das hätte er sich sparen können."
Seither spekuliert die Nation über das brüchige Verhältnis zwischen Hirscher und dem Cheftrainer. Zumal eine gewisse Spannung zwischen Verband und Vorzeigestar herrscht. Weniger seiner Föderation, sondern mehr seinen Eltern verdankt Hirscher den Aufstieg. Beide sind Skilehrer und der Vater reist als engster Vertrauter des Sohnes an dessen Seite: Er hat ihm zu Kinderzeiten die Ski eingefahren und sorgt auch heute noch für das perfekte Material.
Stark im Team-Wettbewerb
Derart gewappnet begann Hirscher am Dienstagabend mit der Beruhigung seiner in Panik geratenen Nation. Im Teamwettbewerb verhalf er den Österreichern mit souveränen Auftritten zur ersten Goldmedaille bei der Heim-WM. "Ich hab' nur gehofft, dass ich da keinen Bock schieß", beichtete er, "sonst hätte ich Erklärungsnot gehabt."
Geht es nach seinen Landsleuten, steuert er noch zwei weitere WM-Siege zur Bilanz bei, wenn am Freitag der Riesenslalom und am Sonntag zum Abschluss der Slalom anstehen. "Ich hoffe, dass ich es schaffen kann", sagt er, "aber es gibt dafür keinen Masterplan."