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Seereise Seereise: Auch Frachtschiffe nehmen Passagiere auf

19.12.2003, 14:49
In 124 Tagen um die Welt: Der Stückgutfrachter «MS Rickmers Hamburg» - hier auf hoher See - nimmt regelmäßig bis zu acht Passagiere mit an Bord. (Foto: dpa)
In 124 Tagen um die Welt: Der Stückgutfrachter «MS Rickmers Hamburg» - hier auf hoher See - nimmt regelmäßig bis zu acht Passagiere mit an Bord. (Foto: dpa) MCC-Passage/Rickmers Reederei

Hamburg/Marsholm/dpa. - Kirsten Teschke und Martina Downey sind oft an Bord von Frachtschiffen anzutreffen: Die Mitarbeiterinnen des Unternehmens MCC-Passage in Hamburg disponieren die Gästekabinen auf den mehr als 60 Schiffen der von der Rickmers Reederei bereederten Flotte. Dafür müssen sie häufig an Bord der Frachter gehen, wenn diese mal wieder in Hamburg festmachen - denn es interessiert sie, wie das Zusammenleben von Crew und Passagieren geklappt hat und ob alle Gäste zufrieden waren. Meist ist das der Fall. Denn wer eine Frachtschiffreise bucht, weiß in der Regel schon vorher, was ihn erwartet: Seefahrt ohne Schnickschnack.

«Rund 50 Reedereien bieten in Deutschland auf rund 150 bis 200 Frachtschiffen Reisen an. Und das Interesse daran steigt langsam, aber stetig», sagt Peter Zylmann von der Frachtschifftouristik Kapitän Peter Zylmann in Marsholm an der Schlei, einem der größten Vermittler solcher Touren. Die zahlenden Passagiere werden in der Regel in normalen Crew- oder Offizierskabinen untergebracht, die nicht besetzt werden. «Seit rund zehn Jahren bauen aber auch einige Reedereien Schiffe mit speziellen Passagierkabinen.»

So variiert die Ausstattung der Kabinen zwischen sehr einfach und Vier-Sterne-Komfort: «Manche haben sogar Mahagoni-Vertäfelung», sagt Zylmann. Auf einigen Schiffen fahren Stewards mit, die sich vor allem um die Gäste kümmern. Andere Reeder setzen auf die Eigeninitiative der Passagiere. Gute Schiffe verfügen über ein Sonnendeck, Sauna, Swimmingpool, Sporteinrichtungen und eine Schiffsbibliothek einschließlich großer Videosammlungen. Waschmaschine und Trockner stehen bereit, Bettwäsche und Handtücher werden häufig gewechselt.

Sabine Güttel von der Horn-Linie in Hamburg besucht «ihre» Schiffe ebenfalls so oft es geht. Sie leitet die Touristikabteilung der Bananenreederei und fährt auch mal auf kurzen Strecken mit, damit sie besser die Fragen von Interessenten beantworten kann. Die Fahrgäste gehen mit verschiedensten Vorstellungen auf eine Frachtschiffreise, ist die Erfahrung der Branche: Manche wollen das Abenteuer Seefahrt erleben - gerne mit allen möglichen Überraschungen. Andere möchten schon vorher ihre Reise bis ins Detail kennen. Letztere sind gut aufgehoben bei Schiffen, die Bananen und andere schnell verderbliche Güter transportieren. Generell aber sind Frachtschiffreisen etwas für Leute mit Zeit: Für die Standardroute der Horn-Linie nach Mittelamerika und zurück etwa brauchen die Kühlschiffe 34 Tage.

Das Zusammenleben von Passagieren und Crew ist von Schiff zu Schiff und von Reise zu Reise sehr verschieden. «Das liegt an der momentanen Zusammensetzung der Besatzung - manchmal ist das Verhältnis sehr herzlich, mitunter aber auch distanziert», sagt Kapitän Zylmann, dessen Firma jährlich rund 1500 Passagiere auf ein Frachtschiff vermittelt. «Manche schreiben sich nach Jahren noch Briefe.» Einsam sei an Bord in der Regel aber niemand.

Wie viele Frachter Passagiere mitnehmen und wie viele Deutsche pro Jahr eine Frachtschiffreise buchen, wird vom Verband deutscher Reeder in Hamburg nicht offiziell erfasst. «5000 bis 6000 Passagiere im Jahr sind es aber schon, würde ich schätzen», sagt Zylmann. Viele Gäste gleichzeitig habe ein Frachtschiff aber nie an Bord. «Manche haben nur eine Kabine anzubieten, andere sechs oder acht Betten, selten mehr.» Ab 13 Passagieren würde das Schiff als Kreuzfahrtschiff gelten - und dann müsste unter anderem auch ein Arzt an Bord sein.

Weil aber der Arzt fehlt und es Strecken gibt, bei denen das Schiff für Rettungsmaßnahmen unerreichbar ist, verlangt zum Beispiel MCC im Auftrag der Schiffseigentümer von jedem Gast eine ärztliche Unbedenklichkeits-Bescheinigung. Passagiere über 75 Jahren werden nur in Ausnahmefällen mitgenommen. Das Risiko, dass Senioren auf einer langen Reise - die Schiffe sind auch schon mal 84 oder 124 Tage unterwegs - etwas passieren könnte, wird als zu hoch eingeschätzt. Dies gilt umso mehr, als die Schiffe in schwere See geraten können, aber keine Stabilisatoren wie große Kreuzfahrtschiffe haben.

Bei der Horn-Linie wird das nicht so streng gesehen: Bananenschiffe klappern im Zielgebiet und entlang der Küsten Europas viele Häfen ab. Dies und eine überschaubare Fahrzeit von etwas mehr als einem Monat reduzieren das Risiko. Horn erwartet erst nach dem 65. Lebensjahr ein Attest, eine Altersbegrenzung gibt es gar nicht - wohl aber manchmal den Tipp, erst eine «Schnuppertour» zu buchen.

Ein solcher siebentägiger Irland-Törn zum Preis von 559 Euro ist die günstigste Reise, die derzeit im Frachtschiffreisen-Katalog der Hamburg-Süd Reiseagentur steht. Die Reederei ist einer der führenden Anbieter und vermittelt nach eigenen Angaben Reisende auf rund 300 Schiffe von etwa 50 deutschen und internationalen Reedereien.

Frachterreisen sind generell eine eher preiswerte Art, die Welt vom Wasser aus kennen zu lernen. Für jeden Tag auf See mit Vollpension kalkulieren die Reedereien im Schnitt an die 80 Euro pro Person in der Doppelkabine. Die Fahrgäste müssen sich selbst darum kümmern, welche Impfungen eventuell notwendig sind. Manchmal wird auch ein Ausflug nach Berlin oder Frankfurt/Main zu Botschaften oder Konsulaten nötig. Denn anders als Flugtouristen, die ihr Visum etwa für die USA bei der Einreise erhalten, brauchen Frachtschiffreisende ein Visum mit Lichtbild, das oft erst nach persönlicher Befragung in Deutschland in den Pass geklebt wird. Wer mit dem Frachtschiff zum Beispiel in einem US-Hafen einläuft, wird wie ein Seemann behandelt.

Und es gibt noch andere Dinge, die berücksichtigt werden müssen bei der Auswahl von Route und Schiff: Wichtig ist der unverstellte Blick auf das Meer - nicht, dass etwa Container vor dem Bullauge stehen. Auch auf Steckdosen mit einer Spannung von 220 Volt sollte geachtet werden, denn die werden für das Bügeleisen, den Rasierer, den Weltempfänger und den Laptop benötigt, den mancher in den Urlaub mitnimmt. Wer glaubt, durch einen Anruf bei der Passageabteilung eines Schiffseigners früher als andere in See stechen zu können, der irrt allerdings: Für viele Routen gibt es Wartelisten.