«Second Life» «Second Life»: Geschäfte wie im echten Leben
Halle/MZ. - Ailin Gräfs Tochter hört auf den Namen Anshe Chung und sie ist heute, im zarten Alter von zwei Jahren, die mächtigste Immobilienmaklerin einer ganzen Welt. Die heißt "Second Life", besteht aus nichts als einem überaus komplizierten Programmcode, hat aber einige Millionen Einwohner. Die brauchen Häuser, Gärten und Einkaufszentren, Gewerbegebiete und Fußballstadien. Dinge, die sie bei Anshe Chung kaufen können - für so genannte Lin den-Dollars, die sich zum Umrechnungskurs von 270 zu 1 in echte US-Dollar tauschen lassen.
Mit ihrer Kunstfigur Anshe hat die Deutschchinesin Ailin Gräf Geschichte geschrieben: Als erstem Menschen gelang es ihr, mit dem Verkauf virtueller Waren im wirklichen Leben Millionär zu werden.
So geplant war das freilich nicht. Vielmehr hatte Ailin Gräf sich damals für ein paar Euro "Second Life" zugelegt, um selbst ein bisschen zu spielen. Doch schnell wurde aus dem Spiel Ernst und aus der Spielerin eine Firmengründerin. Anfangs verkaufte Ailin Gräf kleine Programme, die den virtuellen Figuren der Secold-Life-Nutzer bestimmte Fähigkeiten verliehen. Bald darauf kaufte sie Land, baute darauf Häuser und verkaufte sie mit Gewinn weiter - wie im richtigen Leben. Anshe Chung, ganz ohne Bankkredite aufgebaut, etablierte sich als Dienstleistungs- und Entwicklungsunternehmen, beschäftigt inzwischen 30 Mitarbeiter und betreibt im chinesischen Wuhan ein eigenes Entwicklungszentrum.
Inzwischen gilt die elektronische Welt von "Second Life", vor vier Jahren von der US-Firma Linden Labs ins Internet gestellt, auch anderen Firmen als mögliche Goldgrube. Der Elektro-Planet mit eigenem Wetter, eigener Regierung und autonomen Gerichten erlebte zuletzt einen Ansturm von Echt-Welt-Unternehmen, die Fantasien mit Produktwerbung ausstaffieren. Nissan baute eine Rennbahn, Sony veranstaltet Konzerte, IBM richtete ein Tennisturnier aus, Schweden eröffnete diese Woche als erstes Land eine virtuelle Botschaft.
Kein Wunder, denn derzeit wächst die virtuelle Volkswirtschaft in "Second Life", zu deutsch so viel wie "Zweites Leben", dank explodierender Einwohnerzahlen schneller als jede real existierende, die Wirtschaftswunderländer China und Indien eingeschlossen. Mittlerweile tobt der Konkurrenzkampf um die virtuellen Weiten fast wie damals im wilden Westen. Neuankömmlinge verdrängen alteingesessene Firmen, die "hochkreativen Pioniere des Metaversums" (Anshe Chung) sehen sich zur Verteidigung gezwungen. Die Einwohner von Dreamland, einem Ort in "Second Life", hätten deshalb beschlossen, es unter Strafe zu stellen wenn sich Unternehmen oder Personen unrechtmäßig mit den Leistungen weniger bekannter "Second-Life"-Bewohner schmücken.
Wie bisher schon Einbruch, Diebstahl, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und Verbreitung von Kinderpornographie wird auch die Behauptung falscher Pionierleistungen mit Verbannung aus dem virtuellen Paradies bestraft, wie Anshe Chung selbst auf einer Pressekonferenz verkündete.
Die übrigens in Mengjing stattfand. Einem Ort, den kein Globus zeigt. Denn auch er liegt in "Second Life" und besteht nur aus ein paar Gigabyte Daten, gespeichert auf einem weltumfassenden Server-Netz.
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