Schiedsrichter Schiedsrichter: Die Heldenrolle ist für Stark nicht vorgesehen
PRETORIA/MZ. - Samstag wartet die bislang größte Aufgabe im Leben des Wolfgang Stark auf den Schiedsrichter aus Bayern. Der 40 Jahre alte Bankkaufmann der Sparkasse Landshut wird bei seinem WM-Debüt das Gruppenspiel zwischen Nigeria und Argentinien in Johannesburg pfeifen. Stark, ein Mann, der auffällig viel Ruhe ausstrahlt, sitzt ganz entspannt auf seinem Klappstuhl im Fifa-Schiedsrichter-Hotel Kievitskroon in der Nähe von Pretoria und sagt: "Ein Spiel zweier großer Mannschaften. Sie können sicher sein, dass wir uns darauf gewissenhaft vorbereiten."
Das tun Familienvater Stark und seine beiden Assistenten Jan-Hendrik Salver, 41, verheiratet, drei Kinder, Facilitymanager für Büroflächen in Stuttgart, und Mike Pickel, 37, verheiratet, Außendienstler aus Koblenz, im Grunde schon seit zwei Jahren: Das deutsche Team wurde vom Weltfußballverband auserwählt, am Schiri-Casting für die Weltmeisterschaft teilzunehmen, 80 Schiedsrichter und deren Assistenten waren anfangs noch dabei, 29 Teams blieben übrig und werden nun gemeinsam auf der weitläufigen Hotelanlage vorbereitet. Zuletzt hat die Fifa die Anforderungen noch einmal hochgesetzt: Den 40-Meter-Sprint müssen die Unparteiischen in 5,8 statt den zuvor geforderten 6,2 Sekunden schaffen, deren Assistenten an der Linie gar in 5,6 statt zuvor 6,0 Sekunden. "Wir müssen noch schneller sein als der Schiedsrichter selbst, weil wir immer auf Ballhöhe unterwegs sind", erläutert Salver, der schon zum Team von Markus Merk bei der WM 2006 und der EM 2008 gehörte.
70 Sprints über 30 Meter in 90 Minuten hat ein Schiedsrichter-Assistent zu absolvieren. "Die Stürmer", erklärt Mike Pickel, "legen es immer mehr darauf an, an der Linie zum Abseits auf den Pass zu lauern. Da musst du in der Lage sein, das Tempo aufzunehmen."
Der schwäbische Kollege Salver hat ein Buch auf dem Tisch liegen: Nelson Mandela - der lange Weg zur Freiheit. "Dieses Buch auf diesem Boden zu lesen, das hat etwas Ergreifendes", befindet Salver. Viel Zeit zum Lesen blieb den drei Deutschen auf ihrem persönlichen Weg zum Glück zuletzt allerdings nicht. 50 bis 60 Spiele leitet das Trio pro Jahr, vier- bis fünfmal Training pro Woche kommen hinzu, jeweils mit Puls- und Herzfrequenzuhren und Brustgurt, die Daten der "gläsernen Schiedsrichter" werden dann per Laptop an die Fifa übermittelt. Die Werte der Deutschen haben offenbar überzeugt. "Wir sind überglücklich, dazuzugehören", lässt Pokerface Stark ganz kurz einen Einblick in sein Seelenleben zu.
Ziel von Stark, Salver und Pickel ist es nun, sich mit einer überzeugenden Leistung für weitere Einsätze bei dieser Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Ende vergangener Woche ließ sich auch Fifa-Präsident Sepp Blatter draußen bei den Schiedsrichtern blicken und ließ wissen, sie sollten ihren Job "genießen". Zur unmittelbaren Spielvorbereitung stellt der Fußball-Weltverband den deutschen Referees eine DVD mit typischen Szenen der beiden Mannschaften Nigeria und Argentinien zur Verfügung. Und wenn es dann losgeht Samstagnachmittag im Ellis Park Stadion, dann werden die drei Deutschen in der Kabine noch einmal den Körperkontakt suchen, die Fäuste gegeneinander klopfen.
Eines steht fest, weiß Jan-Hendrik Salver schon jetzt ganz sicher: "Wir werden nicht diejenigen sein, die als Helden aus dem Stadion gehen."