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Russland Russland: Moskaus neues Image

Von Bärbel Böttcher 18.01.2002, 10:55

Halle/MZ. - Das letzte Mal waren Sie 1990 in Moskau?Dann werden Sie die Stadt nicht wiedererkennen",sagt der junge Mann vom russischen Konsulat,der das Visum ausstellt. Eine Übertreibung?

Eine maßlose Übertreibung, denke ich nachder Landung auf dem internationalen FlughafenScheremetjewo II. Die gleichen endlos langen,in schummriges Licht getauchten Gänge, wievor elf Jahren. Die gleichen langen Schlangenvor den wenigen geöffneten Schaltern der Passkontrolle.Der gleiche Papierkrieg beim Zoll. Hier istalles beim Alten.

Doch schon auf der Fahrt vom Flughafen indie Stadt beschleicht mich eine Ahnung, dassder Konsulatsbeamte Recht haben könnte. Ander Ausfallstraße, wo früher halb zerfalleneHolzhäuser standen, breiten sich Einkaufszentrenaus. Auch ein bedeutendes schwedisches Möbelhaushat die Möglichkeiten der "grünen Wiese" vorden Toren Moskaus entdeckt. Es baute genauan der Stelle, an der das Denkmal für dieVerteidiger der russischen Hauptstadt 1941/42steht. Die Stadtverwaltung konnte gerade nochverhindern, dass es durch eine riesige Fußgängerbrückevollständig verdeckt wird.

Ein neues Erscheinungsbild prägt auch dasZentrum. Zwar steht der Kreml fest auf seinemangestammten Platz. Aber ringsherum hat sichviel verändert. Die Zeiten, in denen auf demRoten Platz, vor dem Mausoleum, eine Ehrenwacheim Stechschritt aufzog, sind vorbei. Und werLenin sehen will, muss sich nicht mehr stundenlanganstellen. Diesen Programmpunkt können Touristenrelativ schnell abhaken und sich anderem zuwenden.Zum Beispiel der Konsum-Meile, die unterhalbdes Kremls, auf dem Manege-Platz, halb über-,halb unterirdisch, aus dem Boden gestampftwurde. Zu Sowjet-Zeiten formierten sich dortam 1. Mai und am 9. November, dem Revolutionsfeiertag,die Panzerkolonnen zur Parade. Anfang der90er Jahre nahmen dann Kreml-kritische Demonstrationenauf dem "Maneschnaja" ihren Ausgangspunkt.Dann wurde gebaut. Und es gibt Moskauer, dieargwöhnen, der Einkaufspalast sei als eineArt moderne Barrikade gedacht.

Einen erstaunlichen Anblick bietet das StaatlicheUniversal-Kaufhaus - besser als Gum bekannt- an der Stirnseite des Roten Platzes. ZuSowjet-Zeiten ringelten sich hier lange Schlangen,weil noch am ehesten etwas aus dem äußerstknappen Konsumgüter-Angebot zu erhaschen war.Heute herrscht gepflegte Leere. Nobelboutiquereiht sich an Nobelboutique. Kein Moskauerverirrt sich mehr hierher. Die meisten Touristenriskieren gleichfalls höchstens einen Blickauf die Preisschilder - die übrigens in DollarAuskunft geben - und ziehen beeindruckt weiter.Reger Andrang herrscht nur noch bei den mobilenEisverkäufern, die ihre angestammten Verkaufsplätzeverteidigen konnten.

Auch auf der Twerskaja, früher Gorki-Straße,sind moderne Geschäfte entstanden. In derDruschba-Buchhandlung etwa, wo früher zu Spottpreisenrare DDR-Bücher erstanden werden konnten,gibt es jetzt Salamander-Schuhe.

Kein Problem ist es übrigens heutzutage inMoskau, seinen Stadtbummel in einem Café zuunterbrechen - wenn man bereit ist, gepfeffertePreise zu zahlen. Fast-Food-Ketten sowie Bistrosund Restaurants aller Couleur sind wie Pilzeaus dem Boden geschossen. Selten sind nurdie original russischen.

Nebenbei: Reklame, die Moskau gleichzeitig mit den westlichen Waren überschwemmt hat, darf laut Anordnung des Bürgermeisters nur kyrillische Buchstaben enthalten. Jurij Luschkow befürchtet eine "zu starke Amerikanisierung" der russischen Hauptstadt.

Die Moskauer Regierung hat aber noch andere Sorgen. Sie kämpft gegen das Image an, eine für Touristen besonders gefährliche Stadt zu sein. Natürlich sei die Kriminalitätsrate im Vergleich zu der Zeit vor der Wende gestiegen, sagt Grigorij Antjufejew, Chef des Tourismus-Komitees der Stadt. Einen Vergleich mit Spanien oderNew York könne aber durchaus standgehalten werden. "Objektiv gesehen ist Moskau sogar eine der sichersten Städte."