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Rudern Rudern: Ein Aussteiger macht seinen Sport populär

Von GOTTFRIED SCHALOW 12.05.2010, 20:30

HALLE/MZ. - Thorsten Engelmann über die Zentrale der ThyssenKrupp AG in Düsseldorf erreichen zu wollen, schien ein Versuch mit geringer Erfolgsaussicht zu sein. Viel wahrscheinlicher war Karl Valentins Buchbinder-Wanninger-Nummer, ein endloses Weiterverbinden von einem Vorzimmer ins nächste. Irrtum: Nach wenigen Sekunden ist Engelmann tatsächlich in der Leitung, sogar er selbst staunt. "Na ja, seit meinem Auftritt bei Stefan Raab bin ich wohl bekannt wie ein bunter Hund." Und dann nach einer kurzen Pause: "Als Sportler kennt mich hier kein Mensch." Das sagt viel aus.

Engelmann ist nicht irgendwer. Der Ruderer war 2006 Weltmeister im Deutschlandachter, dem Paradeboot der Nation. Vor zwei Jahren hat er die Ruder in die Ecke gestellt. Nicht ganz freiwillig nach der schmerzhaften Ausbootung bei der Besetzung des Olympia-Achters für die Spiele in Peking. Im Juli wird Engelmann 29 Jahre alt, der Wirtschaftswissenschaftler steht inzwischen als Controller bei ThyssenKrupp seinen Mann und wurde in dieser Woche per SMS und Mail geradezu zugeschüttet. "Fast alles mit einem positiven Echo. Auch meine alten Sportkollegen waren davon angetan, dass Rudern endlich mal ein Millionenpublikum gefunden hat", sagt Engelmann. Aus "ausschließlich privaten Gründen und weil ich die halbe Million Euro gewinnen wollte" landete er bei "Schlag den Raab", hat dort am letzten Sonnabend zwar verloren, sich aber so wacker geschlagen, dass sein Name zumindest kurzzeitig deutschlandweit bekannt ist.

Das hat er im Rudern nie geschafft. Warum das so ist, darüber hat er sich ein Jahrzehnt lang Gedanken gemacht. "Wir sind natürlich eine Randsportart, die nur alle vier Jahre bei Olympia eine angemessene Sendezeit im Fernsehen hat. Aber mittlerweile stehen wir am äußersten Rand, wir sind wohl die einzige Sportart, die überhaupt keinen zahlungskräftigen Sponsor hat." Dafür zählt Engelmann jede Menge Gründe auf. Vor allem hausgemachte: Deutsche Ruderer versinken international zunehmend im Mittelmaß. Hinzu kommen Verbandsstreitigkeiten und festgefahrene Strukturen.

Engelmann, der selbst ein paar Semester in Cambridge studiert hat, verweist immer wieder auf England, wo Rudern einen ganz anderen Stellenwert hat, nicht nur wegen der populären Regatten Oxford gegen Cambridge. "Dort wird am Material und an Trainingsdetails getüftelt. Trainer und Wissenschaftler aus der ganzen Welt beteiligen sich daran. Nur die Deutschen nicht. Das Olympia-Desaster von Peking war die logische Konsequenz", sagt Engelmann. Der nächste Unterschied: In England sind die Leistungssportler Profis und von Siemens finanziell abgesichert. "In Deutschland ist das undenkbar. In meiner aktiven Zeit wurde mir nicht einmal ein Auto zur Verfügung gestellt. Und danach hat mich der Ruderverband wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Bei der Jobsuche war ich völlig auf mich allein gestellt."

Engelmann ist trotzdem nicht verbittert. Dazu sei ihm das Rudern viel zu sehr Herzensangelegenheit. Am Wochenende wird er bei der Internationalen Regatta in Duisburg dem siegreichen Achter den Pokal überreichen. Vielleicht sind dann sogar einige seiner alten Kollegen dabei wie der Hallenser Florian Eichner.