Rock 'n' Roll und Ostalgie - Bunte Hostels in Berlin
Berlin/dpa. - Das Bild von Erich Honecker wird nicht lange hängen bleiben. Das Konterfei des DDR-Staatschefs gehört zu den beliebtesten Souvenirs aus den Zimmern des «Ostels» am Berliner Ostbahnhof.
Kugelleuchten, brauner Cord, Plaste-Eierbecher: Das Hostel ist ganz im Ostalgie-Stil gehalten. Nicht nur Luxushotels gibt es in Berlin wie Sand am Meer, auch die preiswerten Hotelvarianten boomen und werden immer bunter. Gerade im Sommer besuchen abertausende Rucksackreisende aus aller Welt die Stadt, um mit der Backpacker-Bibel «Lonely Planet» im Gepäck die Metropole zu erkunden. Mit gut 80 Billig-Adressen - Tendenz steigend - sieht sich Berlin als Hostel-Hauptstadt.
Karge Jugendherbergen mit Graubrot und Hagebuttentee zum Frühstück waren gestern. In Berlin locken trendige Adressen wie das «Heart of Gold Hostel», in dem es aussieht wie in einer Bar, oder das «Baxpax», das mit Dachterrasse samt Plantschbecken wirbt. Günstige Etagenbetten oder Doppelzimmer, Internetzugang, Szenetipps vom Personal und Kontakte knüpfen mit anderen Gästen: Das gehört wie überall auf der Welt auch zum Konzept der Berliner Hostels.
«Berlin ist eine sehr junge Stadt», hebt Tourismuschef Hanns Peter Nerger hervor. 40 Prozent der Besucher seien unter 35 Jahre alt, die Hostels hält Nerger für einen «positiven Imageträger» für das internationale Publikum. Besucher können zum Beispiel nicht nur auf einem Schiff auf der Spree übernachten, sondern auch wie ein Rockstar schlafen. Die Kreuzberger «Rock 'n' Roll Herberge» mit ihren Motto-Zimmern zieht ein bunt gemischtes Völkchen an, sagt «Herbergsvater» Marco Kahl (34) - von der argentinischen Flamenco-Gruppe bis zum Musiker der Bloodhound Gang.
Viele Schlagzeilen heimste das «Ostel» ein, das am 1. Mai öffnete, zum «Kampftag der Arbeiterklasse», wie Betreiber Daniel Helbig (35) lachend erzählt. Er und sein Freund Guido Sand (42) waren zu DDR-Zeiten Artisten. Heute ist der eine Cutter, der andere Arzt. Das «Ostel», das in einem Plattenbau liegt, ist ihr zweites Standbein. Einen Schlafplatz im Etagenbett - im «Pionierlager» - gibt es schon für neun Euro, Einzelzimmer ab 38 Euro. Das Publikum ist etwas älter als in klassischen Hostels.
Anfangs warb das «Ostel» noch mit «Stasi-Suiten», ein Scherz, der nicht allen gefiel. Verklären wollen die Betreiber den SED-Staat aber nicht. «Ich bin kein Ostalgiker», stellt Helbig klar. Beim Flachbildschirm an der Rezeption, den Bädern, den neuen Matratzen und der frischen Bettwäsche hört die Reise in die Vergangenheit dann auch auf. Zu den Zimmern gehören DDR-Radios, Original-Tapeten mit floralem Muster und Schminktische mit Klapp-Spiegel.
Das Mobiliar hat das Duo auf Flohmärkten, bei Wohnungsauflösungen und im Internet ergattert. Zur Zeit fahnden die Beiden nach DDR-Farbfernsehern für die Ferienwohnungen. Auch das Rednerpult aus dem Palast der Republik hätten sie gerne ersteigert, es war ihnen aber mit 3500 Euro zu teuer. Ein bisschen sieht es in dem Hostel aus wie in der DDR-Tragikomödie «Good bye, Lenin!». Für viele Ostdeutsche ist es ein Déjà-vu-Erlebnis. «Wir haben Gäste, die ihr eigenes Schlafzimmer wiedererkennen», erzählt Helbig. Für Besucher aus Skandinavien sieht das «Ostel» hingegen aus wie eine gewöhnliche Pension mit betagten Möbeln. «Für die ist das ganz normaler 70er-Jahre-Chic.»
Berlin Tourismus: www.berlin-tourist-information.de
Das DDR Hostel: www.ostel.eu
Rock 'n' Roll Herberge: www.rock-n-roll-herberge.de
Hostels Hotels baxpax: www.baxpax.de
Heart of Gold Hostel: www.heartofgold-hostel.de