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Riebeckplatz Riebeckplatz: Von Schweinen, Autos und Baggern durchwühlt

12.03.2003, 15:05
Der Riebeckplatz im Winter (MZ-Foto: Archiv)
Der Riebeckplatz im Winter (MZ-Foto: Archiv) ZB

Halle. - Die Stadt Halle steht inmitten ihres größten und wichtigsten Stadtumbauprojektes, der Neugestaltung des Riebeckplatzes. Der Platz soll als Stadteingangstor für Halle würdig gestaltet werden. Vorgesehen sind unter anderem eine Ladenstraße und gläsene Überdachungen für die Fußgänger. Der lange Fußgängertunnel zwischen Bahnhof und Innenstadt soll durch einen offenen Platz ersetzt werden. Vorgesehen ist eine komplette Neuordnung des verkehrsreichsten Platzes der neuen Bundesländer.

Schon mehrfach hat der einst prachtvolle Riebeckplatz im Laufe der Zeit sein Gesicht verändert. Die einst repräsentativsten Bauten, unter anderem das Hotel „Zur goldenen Kugel“, fielen am 31. März 1945 einem Bombenangriff zum Opfer und wurden später abgerissen. Seine bisherige Gestalt erhielt der Platz in den 60-er Jahren der DDR.

Der Riebeckplatz war schon im Mittelalter wichtiger Kreuzungspunkt von Handelswegen, die nach Leipzig, Merseburg, Delitzsch und Magdeburg führten. Galgen, Rad und Rabenstein lagen hier. Deren grausiger Anblick blieb bis in das 19. Jahrhundert. Erst im Jahre 1809 wurde die Richtstätte abgebaut.

Trotz der grauenhaften Nachbarschaft stand an dem von Schweinen durchwühlten Platz schon um 1720 ein Gasthaus, das später „Zur goldenen Kugel“ hieß und auch Hotel war. Auf dem Platz vor dem Galgtor hatten sich 1806 Preußen und Franzosen ein letztes Gefecht geliefert. Daran erinnerten Name und eingemauerte Kugel im Haus. Seit 1827 hieß der Platz „Leipziger Platz“. Er wurde unter anderem umgebaut, als 1840 die Magdeburg-Leipziger Bahn und 1846 die Thüringer Bahn ihren Betrieb aufnahmen. Seit 1891 trug der Platz den Namen „Riebeckplatz“.

Carl Adolph Riebeck lebte von 1821 bis 1883 und hatte sich als Industriekapitän der mitteldeutschen Braunkohle um den wirtschaftlichen Aufschwung Halles und der Region Verdienste erworben. Er besaß an diesem Platz ein Haus. Das derzeitige Gesicht des Platzes, der zwischenzeitlich (1945-1991) „Thälmannplatz“ hieß, ist das Gesicht der Umgestaltung in den Jahren 1964 bis 1970. Damals entstanden am Rand des Platzes Denkmale der Arbeiterbewegung, die zweispurige Hochstraße (Länge 238 m), der Fußgängertunnel, die beiden 22-geschossigen Wohnhochhäuser und das „Haus des Lehrers“, ein neungeschossiges Bürohochhaus mit einer Aluminiumvorhangfassade.

Bereits Mitte der Dreißiger Jahre gab es Vorschläge zur Umgestaltung des Riebeckplatzes, welche jedoch keine Umsetzung fanden. Der Automobilklub schlug vor, die Grünanlage in der Mitte des Platzes zu beseitigen und dort einen Parkplatz mit einer Großtankstelle zu errichten. Für die Fußgänger sollte der Platz ganz gesperrt werden, und in der „Saale-Zeitung“ wurde der Bau eines Fußgängertunnels angeregt.

Dieser Tunnel sollte mit dem Bau von Luftschutzbunkeranlagen verbunden werden. Nachdem durch die Kriegsereignisse der Platz schwer geschädigt wurde und in den Folgejahren das Verkehrsaufkommen auch rückläufig war, gab es erst zu Beginn der Sechziger die Notwendigkeit zur baulichen Neugestaltung des Platzes. Es handelte sich nun wieder um den verkehrsreichsten Platz der DDR mit 42 Kreuzungs- und Übergangsmöglichkeiten für nichtschienengebundene Fahrzeuge. Die fünf Linien der Straßenbahn ergaben weitere zehn Überquerungen des Platzes.

Zum 31. Januar 1961 war ein öffentlicher Wettbewerb zur Erlangung von Ideenentwürfen für die Gestaltung des Ernst-Thälmann-Platzes ausgeschrieben worden. Aus 53 Teilnehmern wurden zwei 2. Preise an das hallesche Kollektiv des Entwurfsbüros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung und das des Bezirkes Leipzig vergeben. Mit der am 19. Juni 1964 erfolgten Grundsteinlegung für den Bau des Hotels „Stadt Halle“ begann die Umgestaltung des Platzes. Als erstes altes Gebäude wurde 1964 die Gaststätte

„Das Faß“ gesprengt, danach folgten am 4. Mai 1965 die Sprengung der ehem. Wäscherei „Solid“, des „Apollotunnel“ und zweier weiterer Häuser bis zur Zweigstelle der Sparkasse an der Ecke Ernst-Toller-Straße. Am 22. Mai 1965 erfolgte die Grundsteinlegung zur ersten Hochstraße der DDR am Thälmannplatz. Die damals aktuelle Verkehrsdichte von 3.500 bis 4.000 Fahrzeugen sowie 6.000 Fußgängern pro Stunde sollte in drei Ebenen bewältigt werden. Der Verkehrsstrom in Nord-Südrichtung wurde in sechs Metern Höhe verlegt und hatte eine Durchlassfähigkeit von 5.000 Fahrzeugen pro Stunde.

Die Ost-West-Trasse wurde im Kreisverkehr unter der Hochstraße hindurchgeführt. Der Kreisverkehr verlief über eine vierspurige 16 m breite Fahrbahn mit einem inneren Durchmesser von 100 m. Seine Kapazität lag bei 8.300 Fahrzeugen pro Stunde. Durch die Entflechtung verringerte sich der bisher siebenarmige Kreisverkehr auf vier Arme. Für den starken Fußgängerverkehr, besonders die Berufspendler, wurde der Kreisverkehr mit einem Tunnelsystem unterquert.

Daneben entstanden rund um den Platz zwei 23-geschossige Hochhäuser, das Interhotel „Stadt Halle“, Verwaltungsgebäude für die Wasserwirtschaft und den Starkstromanlagenbau, das „Haus des Lehrers“ und eine Kaufhalle. Am 1. Mai 1965 erfolgte die Eröffnung des Informationszentrums „Thälmannplatz“ für die Hallenser und interessierten Besucher. Bis Ende Oktober 1965 schufen 21.668 Hallenser in 143.963 Aufbaustunden einen Wert von 1.089.434 MDN auf der Baustelle des Thälmannplatzes. Die Sprengung des Gebäudes der Sparkasse erfolgte am 26. Juni 1968 in Vorbereitung des Baus der Hochhäuser.