Richterin ohne Robe
Hamburg/dpa. - Schreckensvision für Jutta Speidel: eines morgens in der Post die Aufforderung zu finden, demnächst in einem Prozess als Schöffin zu fungieren. Ihrem Lebensgefährten Bruno ist das bereits in seiner italienischen Heimat passiert, ihr selbst graust davor:
«Diese Verantwortung, die man da übernimmt. Und die Möglichkeit, eventuell zur Verurteilung eines Unschuldigen beizutragen...» Vor der Kamera hat sie das nun durchleben müssen: Als «Richterin ohne Robe», am Sonntag (20.15 Uhr) im ZDF zu sehen, ist sie Schöffin in einem Mordprozess.
Der Angeklagte, von Kai Schewe gespielt, scheint ihr eher unschuldig zu sein. Doch dann häufen sich Indizien, dass man sie bewusst zu Gunsten dieses Angeklagten manipulieren will. Das wiederum spricht für seine Schuld. Nicht genug der Sorgen. Daheim hat Frau Schöffin auch noch ihre ungebärdige Tochter Nele (Josefine Preuss) im schlimmsten Teenie-Alter, und oft weiß die gepeinigte Frau Mama nicht, worum sie sich mehr kümmern muss, um das Früchtchen zu Hause oder um ihre Schöffenfunktion.
Auch der Zuschauer weiß es nicht immer so genau: Sieht er nun einen Krimi oder einen Familienfilm? «Wir wollten ganz bewusst einen Genre-Mix», erläutert ZDF-Redakteurin Karina Ulitzsch. Daher die Besetzung mit Jutta Speidel: «Sie hat Humor und diese herzliche Weiblichkeit, wirkt zugleich wie jemand, der sich zu behaupten weiß.» Das muss sie denn auch als Schöffin Bettina. Weil ihr von allen Seiten zugezischt wird, wie sie gefälligst die Dinge zu beurteilen hat, und manche der beteiligten Juristen sowieso meinen, dass Schöffen eher stören und höchst überflüssig sind.
Das Buch schrieb das Krimi-Duo Birgit Grosz und Leo P. Ard. Ulrich Zrenner inszenierte vor Frankfurter Hintergrund. Nur für die Gerichtsszenen ging man hinüber nach Darmstadt, «weil es dort so schön altmodische Gerichtsgebäude gibt» (Karina Ulitzsch). Kleiner Gag innerhalb der Besetzungsliste: Dort taucht eine ganze Reihe vom «Tatort» und anderen Krimis her vertrauter Darsteller auf, so Jan- Gregor Kremp, bekannt als «Elvis und der Kommissar»-Darsteller, und hier ein zwielichtiger Anwalt, Andreas Hoppe, sonst Lena Odenthal- Assistent, und schließlich der Münchner «Tatort»-Kommissar Udo Wachtveitl.
Der darf hier nun glitzern und schillern, die Schöffin mit herbem Männercharme betören und nicht so eindeutig auf der Seite des Rechts stehen. Die «Richterin ohne Robe» selbst bei gutem Quotenerfolg zu einer Reihe zu erweitern, ist nicht geplant. Karina Ulitzsch: «So viele Variationsmöglichkeiten gibt es ja nicht. Der Schöffe darf ja nicht selber recherchieren oder so.» Vielleicht war auch deshalb ein schon 2005 gestarteter ZDF-Versuch, mit Petra Kleinert in «Jetzt erst recht!» eine Serie rund um eine Schöffin zu etablieren, ohne rechten Erfolg geblieben.