Reisen in Frankreich Reisen in Frankreich: St. Tropez-Strandkorb der Reichen und Schönen
St. Tropez/dpa. - Los geht's, Gas geben. Denkste. Gleichhinter St. Maxime schleichen die Autos auf der Küstenstraße nur noch. Alle Welt, so scheint es, ist unterwegs nach St. Tropez. Welche Namen trägt dieser Ort an der französischen Mittelmeerküste nicht alle: Mekka der Reichen oder Modeplatz der Côte d'Azur zum Beispiel. Auf geht es also trotz Stau in die Wahlheimat von Brigitte Bardot. Auf dem Parkplatz am neuen Hafen ist in den Ferienmonaten kaum ein Platz zu finden. Dann erhöht sich die Zahl der rund 5500 Einwohner durch Tagesgäste auf mehr als 100 000. Von hier aus schlendern viele Besucher zum alten Hafen, wo Cafés und Bistros zur Rast einladen und enge Gassen den Berg hinaufführen. Auffallend sind die rote Markise und die roten Stühle auf der Terrasse des Café «Senequier». Es glüht geradezu im Kontrast zu den Pastelltönen der Häuserfronten dahinter.
Das gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründete «Senequier» isteine Institution. «Alle Welt kennt dieses Café», heißt es. So kann sich der Aufenthalt in der Hochsaison und vor allem am Abend in eine Art Zirkusbesuch verwandeln. Am Tag ist das Ambiente dagegen eher bürgerlich. Manchmal spielt ein Straßenmusikant auf. Und auf eine kleine Gabe kommt es nicht mehr an, wenn man drei Euro für den Espresso hingeblättert hat.
Vom Café aus bietet sich ein Blick auf die Motor-Yachten am Kai.Die Wasserfahrzeuge gehören den Reichen, die in und um St. Tropez oft exklusive Partys feiern. «Schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts wirkte St. Tropez wie ein Magnet auf die Pariser Künstler-Elite: Berühmte Sänger, Schauspieler, Maler und Schriftsteller erholten sich hier, darunter Edith Piaf, Colette, Picasso, Jean-Paul Sartre und Jean Genet», schreibt die Schauspielerin Anouschka Renzi, die den Ortseit ihren Kindertagen kennt und liebt. Und noch früher, in derzweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kamen die Impressionisten.
Im «Senequier» hingegen hoffen die Gäste, ein «lebendes Kunstwerk» zu sehen: langbeinige Blondinen etwa, Starlets, womöglich einen echten Star. «Wer einmal genüsslich die viel zitierten Paradiesvögel betrachten möchte, braucht nur ab 18.00 Uhr im Café Senequier Platz zu nehmen: Dann sieht man sie vorbei flanieren, die Prominenten, die alternden Playboys mit ihren 16-jährigen Freundinnen, die Fotomodelle und Superreichen», verspricht Renzi.
Die Terrasse gibt es schon seit den dreißiger Jahren des vorigenJahrhunderts - wenngleich, wie auch das gesamte «Senequier» und die Hafenfront, nicht in ihrer ursprünglichen Form. Am 15. August 1944 sprengten deutsche Soldaten die verminten Hafenanlagen in die Luft, als die alliierten Invasionstruppen näher rückten. 1952 wurde der Hafen wieder aufgebaut. Am 15. August, dem 60. Jahrestag des Ereignisses, will «St. Trop», wie es von Einheimischen liebevoll genannt wird, der alliierten Landung festlich gedenken.
Wenn die Besucher nicht gar so zahlreich einfallen, im Frühlingoder Herbst, lässt es sich in einem der vielen kleinen Restaurants mit den Tischen auf der Gasse, in den Bistros und Cafés trefflich dinieren. Für fast jeden Geldbeutel ist etwas dabei, obwohl eine Visite in «St. Trop» nicht billig zu haben ist.
Schräg gegenüber vom «Senequier» bietet «Glaces Alfred» Speiseeis aus dem Automaten feil für den, der sich ins berühmte Café nicht traut. Aber bei Alfred kommt auch niemand auf die Idee, das Chanson «Amour Potentiel» von Jacques Haurogne zu summen: Ein Mann wartet auf «einem ganz roten Sessel gegenüber dem Meer» auf seinen Kaffee und kommt dabei ins Sinnieren über die verpassten Gelegenheiten, das große Liebesglück zu finden: «Ich warte, ich warte, um im Senequier einen Kaffee zu trinken.» Wie auch auf Amour - und die Prominenten.