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Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton: Kompetent und unbeliebt

Von Damir Fras 06.11.2016, 11:26
US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton
US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton AP

Washington - Durch ihr ganzes politisches Leben ziehen sich die Premieren. Hillary Clinton war die erste Präsidentengattin, die sich nicht nur um die Festtagsdekoration im Weißen Haus kümmern musste, sondern um ein politisches Fachgebiet, eine Gesundheitsreform. Sie war die erste Frau aus New York, die als Senatorin nach Washington geschickt wurde. Sie war die erste Frau, die eine Vorwahl in einem US-Bundesstaat für sich entschied. Sie ist die erste Frau, die von einer der beiden großen US-Parteien zur Präsidentschaftskandidatin bestimmt wurde. Nun hat die 69 Jahre alte Ex-Außenministerin die Chance, erste Präsidentin in der Geschichte der USA zu werden – und wenn sich die Demoskopen nicht irren, dann ist die Chance groß.

An ihrem fachlichen Können, an ihrer Kompetenz, die sie sich in drei Jahrzehnten im US-amerikanischen Politikbetrieb erworben hat, können ernsthaft nur eingefleischte Clinton-Gegner Zweifel haben. Hillary Clinton hat sich in der Öffentlichkeit grundsätzlich unter Kontrolle, sie ist diszipliniert, und das ist in gewisser Weise das Problem. Die Ehefrau des früheren Präsidenten Bill Clinton, an dessen Amtszeit sich viele Amerikaner trotz zahlreicher Skandale noch wehmütig erinnern, ist zu sehr Politikerin, um im Wahlvolk überbordende Sympathiebekundungen auszulösen. 2008, als sie gegen Barack Obama in den Vorwahlen der Demokraten verloren hatte, gab sie einen seltenen Einblick in ihre Psyche. „Ich bin nicht gut darin, über mich selbst zu reden“, sagte Clinton im US-Sender CNN. So ist es geblieben. Wo immer Hillary (im Wahlkampf nannten sie Freund und Feind immer nur beim Vornamen, was aber nicht immer nett gemeint war) in den vergangenen anderthalb Jahren Station machte, um für ihre Kandidatur zu werben, sprach sie wenig über sich selbst. Der Lebensgeschichte ihrer Mutter gab sie deutlich mehr Raum und nutzte sie als Beispiel für den Kampf der Frauen um Gleichberechtigung.

Clintons Pläne für das Land

Anders als ihr Konkurrent Donald Trump sprach Hillary Clinton lieber von ihren Plänen für das Land und seine Leute. „Wir brauchen Chancengleichheit, Würde und Gerechtigkeit für jeden Menschen in Amerika“, sagte sie. Die Mittelschicht brauche mehr Geld, und „wir brauchen mehr Jobs“. Das waren Worte, die viele Menschen in den USA an den jungen Senator Barack Obama aus dem Jahr 2008 erinnerten, dessen Präsidenten-Erbe Hillary Clinton, sollte sie ins Weiße Haus einziehen, verwalten wird. Auch außenpolitisch ließ die Bewerberin der Demokraten erkennen, dass sie ähnlich handeln werde wie ihr Vorgänger.

Kriegerische Alleingänge à la George W. Bush sind nicht Clintons Sache, auch wenn sie das Militär etwas stärker als Hilfstruppe der Diplomatie ansieht als Obama.

Der Unterschied zum ersten afro-amerikanischen Präsidenten in der Geschichte der USA lag im Auftritt. Obama sprach damals in leidenschaftlichem Ton, der die Leute von den Stühlen riss. Clinton wirkte im Wahlkampf des Jahres 2016 bemerkenswert nüchtern, fast hölzern. Das hat, glaubt man den professionellen Politik-Ausdeutern in den USA, einen Grund, der weit in der Vergangenheit liegt. Hillary Rodham Clinton, geboren 1947 in Chicago, wollte schon als First Lady kein Heimchen am Herd des Weißen Hauses sein. Sie fühlte sich vielmehr sehr wohl in der Rolle einer Neben-Präsidentin an der Seite ihres Ehemannes Bill.

Das weckte, zumal Anfang der 90er Jahre, schnell den Argwohn der Stilkritiker, die es gewohnt waren, dass Frauen aus der Generation der Baby Boomer demütiger auftreten. Und sehr schnell wurde Hillary Clinton für die vermeintlichen und tatsächlichen Verfehlungen ihres Mannes mit zur Verantwortung gezogen. Das ist bis heute in interessierten Kreisen so geblieben. Bis zuletzt versuchte Donald Trump, von den eigenen Affären abzulenken, indem er immer wieder auf die Skandale von Bill Clinton verwies und dafür gezielt Hillary Clinton eine Mitschuld gab.

Das Image einer kühlen Lady Macbeth

So wuchs über die Jahre auf Clintons Seite das Misstrauen gegenüber der Öffentlichkeit im Allgemeinen und den Medien im Speziellen. Clintons Freunde sagen zwar, die Präsidentschaftskandidatin sei im Privatleben warmherzig, humorvoll und charmant. Doch im US-Wahlvolk haben sich diese Charaktereigenschaften laut Umfragen nicht wirklich festgesetzt. Hillary Clinton hat das Image einer Lady Macbeth, die kühl ist, kalkulierend, auf das eigene Fortkommen konzentriert, abgehoben, herrisch, beratungsresistent, eine Perfektionistin. In ihrer Amtszeit als Außenministerin von 2009 bis 2013 besuchte sie 112 Länder.

Für Donald Trumps Anhänger, dafür hat der Populist zielstrebig gesorgt, ist sie ohnehin so etwas wie eine Teufelin. „Sperrt sie ein, sperrt sie ein“-Rufe sind zu einem Markenzeichen von Trump-Veranstaltungen geworden. Das Ehepaar Hillary und Bill Clinton, das Anfang der 70er Jahre an der Jura-Fakultät der Elite-Universität Yale zusammenfand, ist für die meisten Republikaner in den USA und für alle wütenden Trump-Fans zum Synonym für eine Machtmaschine geworden, die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt.

Hillary Clinton weiß um dieses Image. Da wundert es doch, dass ihr in den vergangenen Jahren Fehler unterlaufen sind, die dieses Bild von der abgehobenen Politikerin, der die Nähe zum Volk fehlt, noch verstärkt haben. Warum, fragen sich viele Amerikaner, hat Clinton für ein Honorar von 675000 Dollar Reden vor Investmentbankern von Goldman Sachs gehalten und die Manuskripte nicht veröffentlicht? Ahnte sie nicht, dass gerade im Wahlkampf des Jahres 2016 das Banker-Gewerbe im Volk nicht sonderlich beliebt war? Seit vor einigen Tagen das FBI ankündigte, die E-Mail-Affäre noch einmal untersuchen zu wollen, ist auch noch Clintons Umfragevorsprung geschrumpft. Es wird wieder eng für sie. Doch auch wenn Hillary Clinton am kommenden Dienstag gewählt werden sollte, wird sie mit einem Makel leben müssen: Nicht Sympathie und Begeisterung haben die erste Präsidentin der USA ins Amt getragen. Die Mehrheit der Amerikaner wollte Trump verhindern.