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Paris Paris: Mit «Amélie» auf dem Montmartre

17.05.2002, 09:15

Paris/MZ. - Täglich fragen Dutzende Touristen nach denSchauplätzen des mit Preisen überhäuften Films"Die fabelhafte Welt der Amélie Poulain",in dem Audrey Tautou als Amélie Schüchterneverbandelt, Traurige tröstet und Garstigebestraft. Den Gästen drückt Madame Morandinaein Faltblatt mit Stadtplan und Adressen füreinen Rundgang in die Hand. Denn der Filmist zu großen Teilen vor Ort gedreht worden.

Von der Metro-Station "Blanche" führt diekopfsteingepflasterte Rue Lepic erst schnurgerade,dann in mehreren Kurven auf den Montmartre-Hügel.Links und rechts sorglos geparkte Autos, Läden,dazwischen eine meist im Schritt-Tempo fahrendeBlechkarawane. Das "Café Tabac aux Deux Moulins",Hausnummer 15, ist eine Brasserie wie Hunderteandere an der Seine - vor dem Eingang einpaar Tischchen, innen die Gemütlichkeit derfünfziger Jahre.

Hier hat Regisseur Jean-Pierre JeunetSchlüsselszenen seines Erfolgsstreifens gedrehtund Amélie die kauzige Kundschaft bedient.Das Lokal präsentiert sich unverändert wieman es aus dem Kino kennt, nur hängt jetztan der Wand hinten links ein riesengroßesPlakat für den Film. Der Patron, Claude Labbé,steht an der Theke: "Die Quartiergäste sindnicht gerade begeistert über die vielen Touristen,die hineinkommen und knipsen. Sie sind aberauch ein wenig stolz, dass heute die halbeWelt ihr Stammlokal kennt." Das Geschäft läuftbesser denn je, und die Preise sind nach wievor moderat.

Ein paar Straßen weiter, an der Ecke Rue desTrois-Frères/Rue Androuet, wohnte im Dachgeschossdie Titelheldin. Die Innenaufnahmen sind ineinem Kölner Studio gemacht worden, denn derFilm ist eine französisch-deutsche Koproduktion,was jedoch in Frankreich gern verschwiegenwird. Im Parterre führte Monsieur Collignonein Lebensmittelgeschäft. Ali Mdough, derrichtige Besitzer, erklärt: "Amélie hat meinLeben verändert." Das filmische Popmärchenkatapultierte den Marokkaner ins Scheinwerferlichtder Medien, er gibt Interviews, sein Bilderscheint in den Zeitungen. Über der knallrotenMarkise hängt noch immer die Tafel mit derAufschrift "Maison Collignon".

Auf der Place des Abbesses, nur ein paarhundert Meter von der "Maison Collignon" entfernt,befindet sich der wohl schönste Metro-Eingang,ein Jugendstil-Original. Doch den Kiosk gleichnebenan, in welchem Amélie ihre Zeitschriftenkaufte, gibt es nicht. Er ist eine Erfindungdes Regisseurs. Auf dem Square Willette unterhalbvon Sacre-Coeur, wo Amélie mit Nino verabredetwar, dreht sich weiterhin ein doppelstöckigesKarussell. Das öffentliche Telefon, in welchesdie schüchterne Verliebte "Folgen Sie denblauen Pfeilen, Monsieur Quincampoix!" sprach,stand nur für die Dreharbeiten hier.

Auch mit der Geographie geht der Filmrecht unbekümmert um. Nachdem Amélie mit einemBlinden am Arm über die Rue Lepic spaziertist und ihm die Gemüse-, Käse- und Blumenlädenbeiderseits der Straße geschildert hat, nimmtsie nicht die Metro auf der nahen Place Blanche,sondern in der Station "Lamarck-Caulincourt",die auf der anderen Seite der "Butte" undgut eine Viertelstunde zu Fuß entfernt liegt."Ich wollte einen Film drehen, der leichtist, der träumen lässt und Freude macht. MeinFilm ist nicht realistisch, sondern ein Traum-Montmartre",meint Jean-Pierre Jeunet, der das Quartier,in welchem er jahrelang gewohnt hat, genaukennt. Es sind daher weder geparkte Autosnoch Blechkarawanen oder Grafitti zu sehen,die Zelluloidbilder wurden nachträglich imComputer bearbeitet.