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Österreich Österreich: Kosmetik von der Kräuterfee

Von Ekkehart Eichler 17.06.2004, 18:14

Halle/MZ. - In Rosmaries überdimensionalem 700 Quadratmeter großen Kräutergarten hoch über dem Ort wachsen etwa 50 Heil-, Gewürz-, Küchen- und Teekräuter, und auf letztere hat sie sich spezialisiert. So zaubert sie aus Apfelminze etwa einen Schlaf fördernden beruhigenden Gute-Nacht-Trank, aus Beifuß und Wermut z. B. Gutes für den Magen, aus Goldmelisse, Zitronenthymian und Eibisch diverse Hustenlöser. Sie mixt aphrodisierende und grippevorbeugende Mischungen, produziert Entschlackungs- und Frauentränke, braut Mama- und Baby-Tee nach alten Hebammenrezepten und sogar Tees, die bei Depressionen helfen.

Auch Andrea Huber ist eine dieser jungen Irschener Kräuterfeen. Vor allem aus wild wachsenden Spezies produziert sie Kräuterkosmetik, Kräuterbalsame, Gesichtspflegeserien und Massageöle. Bei ihr kann man lernen, dass ein Arnikabalsam bei Muskelkater hilft, eine Beinwelltinktur bei Verspannungen und Gelenkschmerzen. Dass Johanniskrautbalsam gut ist gegen Sonnenbrand und Insektenstiche, der antiseptisch wirkende Quendel wiederum ideal wirkt bei unreiner Haut und Akne.

Seit zehn Jahren dreht sich im 2 000-Seelen-Ort Irschen, der großflächig verteilt auf den sonnigen Hängen der Kreuzeckgruppe im Oberen Drautal und nur wenige Kilometer von Lienz in Osttirol entfernt liegt, fast alles um Kräuter. Ein einmaliges Natur-Image abseits von Touristenrummel und Skipisten. In Österreichs einzigem Kräuterdorf schmücken dabei nicht nur diverse Kräuterschaugärtlein Zentrum und Privatgrundstücke; von den 35 Mitgliedern des Kräutervereins haben auch etwa ein Dutzend vollauf mit Produktion und Vermarktung von Artikeln aus Kräutern zu tun: Ob Teemischungen, Salz, Likör, Duftkissen, Honig, Kosmetik, Kerzen und sogar Keramik mit Kräutern drin, all das bekommt man in der Irschener Natur- und Kräuterwerkstatt und im Besucherzentrum an der schmucken Kirche, deren Deckenfresken Pflanzen, Blätter und Blüten zeigen.

Auch vor dem Irschener Kräuterhotel blüht und duftet es kräftig: Lavendel, Salbei, Frauenmantel, Malven, Ringelblumen, Zitronenmelisse. Drinnen hängen getrocknete Kräutersträuße von der Decke. Ein alter Holzschrank bietet Duftpotpourris. Die Gästezimmer tragen Namen wie Goldrute oder Schlüsselblume. In den Betten sorgen mit Kräutern gefüllte Schlafkissen für eine geruhsame duftende Nacht. Statt Cola, Fanta und Sprite gibt es hier Durstlöscher aus Lavendel-, Holunder- und Melissensirup, und sogar Eis und Parfaits werden aus Melisse und Lavendel gezaubert.

Der kommerziell erfolgreichste Irschener Kräuterfreak freilich dürfte Gastwirt Walter Heregger sein. In seinem Keller geht die Post ab, wenn er - untermalt von amüsanten Geschichten - das Kräuterlikör- Roulette kreisen lässt: eine Eigenbauvorrichtung, auf der sechs, mit Zapfhähnen bestückte Fünf-Liter-Flaschen Platz haben und je nach Wunsch zum Probieren herangedreht werden können. Elf verschiedene Liköre braut Heregger nach überlieferten, zum Teil mühsam recherchierten Rezepten in seiner Alchimistenküche: Blutwurz und Enzian, Steinraute und Kalmus, Wacholder und Zirbenzapfen - das sind nur einige der Substanzen, die - mit Obstler angesetzt - ein wohlschmeckendes Gebräu ergeben.

Letzte, aber sicher ungewöhnlichste Station in Irschen ist der Kräuter-Kraft-Kreis: Eine Rundterrasse mit vier meterhohen geschnitzten Holzsäulen, die an indianische Totempfähle erinnern, und die Urelemente des Lebens Feuer, Erde, Wasser und Luft symbolisieren. Eine Anlage, die dem von der Natur entfremdeten und unter Sinnesverlust leidenden Menschen der Neuzeit auf emotionaler Ebene Basiswissen über Kräuter, ihre Wirkung und Verwendung vermitteln will.