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Österreich Österreich: Hüttenwandern in Osttirol

Von Christian Röwekamp 12.05.2009, 10:04
Großvenediger und Rainer Horn bilden eine prächtige Kulisse: Die Johannishütte im Virgental gehört zu den ältesten Schutzhütten in den gesamten Ostalpen. (FOTO: DPA)
Großvenediger und Rainer Horn bilden eine prächtige Kulisse: Die Johannishütte im Virgental gehört zu den ältesten Schutzhütten in den gesamten Ostalpen. (FOTO: DPA) Christian Röwekamp

Virgen/dpa. - Urlauber können sich für den Weg von Obermauern nachHinterbichl aber auch zweieinhalb Tage Zeit nehmen - bei einer Tourvon Hütte zu Hütte auf dem Osttiroler Ableger des Adlerweges, derseinen Namen vor allem wegen seiner Form auf Tirols Landkarte trägt.Die Strecke im Nationalpark Hohe Tauern führt in Höhen von fast 2800Meter, bietet sehr gute Ausblicke auf die Dreitausender Lasörling undGroßvenediger - und auch vielen Murmeltieren kann man dort begegnen.

TAG 1: Von Obermauern zur Bonn-Matreier-Hütte

Für Walter Zörer ist der Adlerweg eine leichte Trainingsstrecke.Mehr als 60 Mal stand der 38-jährige Bergführer schon am Gipfel desGroßglockner, drei Achttausender in Asien und den Aconcagua in denAnden hat er bereits bezwungen. Da sind die fast 1350 Höhenmeter, diees an diesem Tag zu schaffen gilt, keine große Herausforderung - ganzanders sieht es für «Flachlandtiroler» aus, die auch den schwerenRucksack nicht gewohnt sind.

Die Strecke führt zunächst durch einen dichten Lärchenwald, vielMoos wächst an den Bäumen - und es geht richtig steil los. Doch Zörerhat genug Luft, um vom Tiroler Adlerweg zu erzählen, den Touristen inzwei verschiedenen Varianten laufen können: Nah an der Talsohle aufeiner «Wanderroute» oder - mit den Hütten-Übernachtungen - auf der«Bergsteigerroute». Auf einen Führer können sie auch dort zwar in derRegel verzichten - ganz ohne alpine Erfahrung geht es jedoch nicht.

Der Osttiroler Ableger des Fernwanderweges habe im Vergleich zum«großen Bruder» nördlich des Alpenhauptkamms einen Vorteil, sagt derBergführer: «Im Norden Tirols ist man oft in schroffem Kalkgesteinunterwegs. Hier ist die Landschaft lieblicher.» Das beweisen auch dieStopps nach dem ersten Steilstück: An der Allerheiligenkapelle lohntes sich, auf einen großen Felsbrocken zu klettern und den Blick überdie grünen Hänge des Virgentals schweifen zu lassen. 250 Höhenmeterweiter an der Gottschaunalm, wo die Baumgrenze bereits in Sichtweitekommt, breiten sich die Kuhweiden in alle Richtungen aus. In denBrunnen vor der Hütte rinnt eiskaltes Wasser, mit dem der Senner dieMilch kühlt - genau die richtige Stärkung vor dem nächsten Anstieg.

In Serpentinen geht es nun bergauf, immer wieder tönt das Pfeifender Murmeltiere durch die Luft, die jetzt spürbar dünner wird. Oderkommt das dem Wanderer nur so vor? Die Schritte werden jedenfallslangsamer, das Terrain schwieriger - Geröll und große Steinplattentreten an die Stelle des schmalen Erdpfades. Fünf Stunden Gehzeitnennt der elektronische Wanderführer als Richtwert für den Aufstiegzur Bonn-Matreier-Hütte in rund 2750 Metern Höhe. Aber das ist wohlzu optimistisch geschätzt, die Uhr am Handgelenk ist längst weiter.

Die in den 30er Jahren gebaute Bonn-Matreier-Hütte ist dieeinzige, die eine deutsche und eine österreichischeAlpenvereinssektion gemeinsam tragen. In der Stube bullert derKachelofen. Hüttenwirt Wolfgang Heinz schenkt einen Obstler ein, zumTopfenstrudel mit Sahne serviert er eine heiße Schokolade. «Wennmindestens 15 Gäste über Nacht bleiben, gibt es das Abendessen alsBüfett», kündigt er an. Schade, heute werden es nicht so viele: DieAuswahl unter den 18 Betten und 50 Matratzenlagern bleibt groß.

Die erste Nacht in einer Berghütte ist für jeden, der bisher nurTagestouren zu Alpengipfeln unternommen hat, ein besonderes Erlebnis.Wolken sind aufgezogen, ein Blick ins Tal ist nicht mehr möglich.Draußen ist es still, nur der Wind rauscht um die Hütte. Das Gefühl,allein mit sich zu sein und zum Alltag mehr als nur ein paar hundertHöhenmeter Distanz gewonnen zu haben, kommt rasch auf. Sich am «Endeder Welt» zu wähnen, das geht nicht nur auf einer einsamen Insel imPazifik oder in den Weiten Sibiriens, sondern auch hier zwischen denStockbetten mit ihren Spannbetttüchern und den karierten Kopfkissen.Dorthin zieht es den Wanderer am Abend ziemlich bald, die Kombinationaus müden Beinen und Obstler verhindert einen langen Hüttenabend.

TAG 2: Von der Bonn-Matreier- zur Sajathütte

Der Wind bläst jetzt kräftiger, über Nacht ist auch etwas Schneegefallen. Heute werden wohl wieder nicht viele Wanderer aufsteigen,schätzt Wolfgang Heinz, «ich werd' mir einen gemütlichen Tag vor demHerd machen». Walter Zörer packt nach einem Blick aufs Thermometerseine Skimütze und Handschuhe aus dem Rucksack. «So eine Kaltfrontkann hier immer kommen», sagt der Bergführer, «selbst im Juli oderAugust. Auf den Höhenwegen kann es dann null Grad haben, und werkeine warme Kleidung dabei hat, muss ganz schnell ins Tal absteigen.»

Zwölf Kilometer stehen heute auf dem Programm, im Flachland einPensum für drei Stunden. Aber hier auf dem Adlerweg muss man mit etwadem Doppelten rechnen, schließlich geht es bis zur Sajathütte immerwieder auf und ab: 700 Höhenmeter sind es abwärts und 550 nach oben.Der Weg führt im Zickzackkurs auf den 2663 Meter hohen «Eselsrücken»und weiter ins Timmeltal, ein Seitental des Virgentals, das tief indie Bergflanke einschneidet. Nahe der Eisseehütte teilt er sich dann:Der «Venediger Höhenweg» zieht über die 2945 Meter hohe Zopetschartenach Westen, auf dem «Prägratener Höhenweg» geht es erstmal nachSüden. Am Aussichtspunkt «Fenster» schweift der Blick weit über dasVirgental und den Lasörling hinweg. In der Nähe treiben Hirten geradeein paar Schafe zusammen, und schon wieder pfeifen die Murmeltiere.

Ein paar Kehren weiter ragt in der Ferne die Rote Säule in dieHöhe, ein 2820 Meter hoher Gipfel, auf den ein Klettersteig führt. Erstartet am «Schloss in den Bergen», wie die Sajathütte auch genanntwird. Sie ist eine der jüngsten Schutzhütten in diesem Teil derAlpen. Eine Schneelawine hatte im April 2001 den Vorgängerbauhinweggefegt, das Bruchholz wurde noch im vergangenen Jahr verfeuert.Durch den Wiederaufbau ist die Hütte größer und deutlich komfortablergeworden. Es gibt zum Beispiel eine 8,5 Meter hohe Kletterwand imTreppenhaus und einen Seminarraum. Von den 60 Betten stehen 12 inZimmern mit eigener Dusche - in 2600 Metern Höhe ein seltener Luxus.

TAG 3: Von der Sajathütte über die Johannishütte nach Hinterbichl

Der Wind ist weg, die Sonne strahlt. Walter Zörer ruft heutezeitig zum Frühstück, Aufbruch ist um 8.15 Uhr. Gleich am Beginndieser Adlerweg-Etappe steht der schwierigste Teil an, der steileAufstieg zur Sajatscharte. An einigen Stellen geben Stahlseile, diein den Felsen verankert sind, Halt beim Vorwärtskommen. Aus 2750Metern Höhe sind ein paar Gämsen zu sehen, die etwas tiefer über dieFelsen klettern, und beim Abstieg ins benachbarte HinterbichlerDorfertal zeigen sich endlich auch die Murmeltiere: Bis auf zehnMeter lassen sie die Wanderer an sich heran.

Die ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen die kleinen Nager abernicht. Dafür sorgt der 3667 Meter hohe Großvenediger mit seinemvergletscherten Gipfel am Horizont. Durchs Fernglas sind einigeBergsteiger zu erkennen, die noch viel früher am Tag gestartet sind:Eine Fünfer-Seilschaft hat schon fast die höchste Stelle erreicht.Dass der Gletscher am Großvenediger gerade so hell leuchtet, liegt amfrischen Schnee, der obenauf liegt. Zusammen mit dem blauen Himmel,an den Flugzeuge im Zehn-Minuten-Takt Kondensstreifen malen, bildeter eine prächtige Kulisse. Im Hochsommer dagegen wirkt das heutenicht mehr ganz so ewige Eis manchmal grau und etwas schmutzig.

Beim Abstieg von der Sajatscharte wird langsam ein Fuß vor denanderen gesetzt. Am Tag drei der Hüttentour ist der richtige Rhythmusgefunden - das Wandern wird fast zum meditativen Erlebnis. Nach dreiStunden ist es deshalb fast schade, in 2121 Metern Höhe vor der Türder Johannishütte zu stehen. Sie ist eine der ältesten Schutzhüttender Ostalpen, wurde 1857/58 gebaut und zuletzt 1999 renoviert. Hiergabelt sich der Weg erneut: Ein Pfad führt zum Defregger-Haus und zumVenediger, auf dem Adlerweg geht es in ein anderes Seitental, wo mitder Essen-Rostocker-Hütte die nächste Nacht am Berg möglich wäre.

Doch dorthin zieht es Walter Zörer jetzt nicht. Das «Hüttentaxi» -ein Kleintransporter - wartet schon, um ihn auf dem Schotterfahrwegdie acht Kilometer ins Tal nach Hinterbichl zu fahren. Weit weg wardie Zivilisation also nie, auch wenn es unterwegs manchmal denAnschein hatte. Und so kommt es, dass die Reise von Obermauern nachHinterbichl doch auf einem Autositz endet - wenn auch zweieinhalbTage später, als es auf direktem Wege möglich gewesen wäre.

Am Südrand des Alpenhauptkamms: Das Virgental erstreckt sich zwischen den Dreitausendern Großvenediger und Lasörling. (GRAFIK: DPA)
Am Südrand des Alpenhauptkamms: Das Virgental erstreckt sich zwischen den Dreitausendern Großvenediger und Lasörling. (GRAFIK: DPA)
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