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«Oranje» unter Schock: Tod von Boulahrouz' Tochter

19.06.2008, 14:01

Lausanne/dpa. - Große Trauer bei Khalid Boulahrouz und seiner Frau, Bestürzung und Mitgefühl im EM-Lager der niederländischen Nationalmannschaft: Nach dem Tod der zu früh zur Welt gekommenen Tochter des 26 Jahre alten Fußball-Profis steht das «Oranje-Team» unter Schock.

«Spieler und Betreuerstab sind betroffen vom Tod von Anissa, der am Mittwoch zu früh geborenen Tochter von Khalid Boulahrouz und seiner Frau Sabia», teilte der Niederländische Fußball-Verband (KNVB) die traurige Nachricht mit.

«Ich verstehe, dass es für Khalid sehr schwer ist, und wir versuchen alle, ihn so gut wie möglich zu unterstützen», sagte Marco van Basten voller Anteilnahme auf einer Pressekonferenz, die nur niederländischen Medien zugänglich war. Der Bondscoach stellte Boulahrouz frei, das EM-Quartier jederzeit zu verlassen. «Er kann immer zu seiner Frau. Es werden außerdem einige Dinge zu regeln sein.»

Boulahrouz war am Mittwoch «unter Polizeischutz» vom Training der Niederländer ins Krankenhaus von Lausanne geeilt, nachdem seine Frau Sabia wegen «Schwangerschaftskomplikationen» dort eingeliefert worden war. In den Morgenstunden war das Mädchen dann gestorben. Die «Elftal» reduzierte zunächst alle Maßnahmen auf ein Minimum. Termine der Spieler mit niederländischen Medienvertretern wurden abgesagt. Nur van Basten und Edwin van der Sar standen kurz zur Verfügung.

Boulahrouz' Einsatz im EM-Viertelfinale an diesem Samstag (20.45 Uhr) in Basel gegen Russland ist wegen der Familientragödie fraglich. «Dennoch müssen wir uns irgendwann auf das Spiel konzentrieren. Das versteht er - und das will er auch so», so van Basten. Grundsätzlich stehe Boulahrouz für die Partie bereit. Der ehemalige HSV-Profi hatte bei allen drei Vorrundensiegen gegen Italien (3:0), Frankreich (4:1) und Rumänien (2:0) in der Anfangsformation gestanden.

Mit der ausgelassenen Stimmung der Niederländer nach der überragenden Gruppenphase war es nach dem Schicksalsschlag schlagartig vorbei. Fast brutal wurde allen vor Augen geführt, dass es weit wichtigere Dinge im Leben gibt als Fußball. Van Basten sprach von «essenziellen Dingen des Lebens». Dies sei allen sehr bewusst. «Khalid hat sich für die Unterstützung bedankt. Ich finde, dass er mit all dem sehr souverän umgegangen ist», betonte der Bondscoach. Bislang hatten Sabia Boulahrouz und die übrigen Ehefrauen und Freundinnen sowie Kinder die Erfolge des Oranje-Teams wie ein großes Familienfest gefeiert. Nun spendeten sie Trost. Möglicherweise schweißt die Tragödie die Niederländer noch enger zusammen.

Insbesondere bei Boulahrouz verliefen die vergangenen Wochen fast wie im Märchen. Zwar war er kurz vor EM-Beginn von van Basten als letzter Spieler aus dem vorläufigen Kader gestrichen worden. Doch als sich Stürmer Ryan Babel verletzte, sprang der vom FC Chelsea an den FC Sevilla ausgeliehene Abwehrspieler doch noch auf den EM-Zug auf. In der Schweiz erkämpfte sich Boulahrouz dank seiner Leistungen einen Stammplatz. Als Rechtsverteidiger überzeugte er in den drei Partien.

«Ich hoffe, dass ich mich nun festgespielt habe und auch im Viertelfinale auflaufen darf», hatte Boulahrouz am Dienstag nach dem 2:0 über Rumänien zuversichtlich erklärt. «Ich hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass ich bei der EM so viel zum Einsatz kommen würde. Aber natürlich habe ich auch von den Verletzungen meiner Mitspieler profitiert.»

Von 2004 bis 2006 trug Boulahrouz den HSV-Dress (52 Spiele/1 Tor). Dort erkämpfte sich der Sohn einer marokkanischen Berber-Familie schnell einen Stammplatz. Allerdings warf man ihm vor, dass er beim Champions-League-Qualifikationsspiel des HSV gegen Osasuna eine Blessur vorgetäuscht habe, um kein Europapcup-Spiel zu absolvieren und nach dem Wechsel für rund 13 Millionen Euro zu Saisonbeginn 2006/07 für Chelsea international spielberechtigt zu sein. Im Vorjahr wurde er nach Sevilla ausgeliehen, konnte sicher aber auch dort nie recht durchsetzen. Nun wird in Hamburg über eine Rückkehr spekuliert. Und Boulahrouz scheint nicht abgeneigt. «Der HSV kann mich jederzeit anrufen. Ich telefoniere oft mit Dietmar Beiersdorfer. Hamburg ist eine wunderschöne Stadt. Ich habe viele gute Erinnerungen, viele Bekannte dort. Und den HSV habe ich immer in meinem Herzen.»