Neuer Anzug verschiebt die Schmerzgrenze nach hinten
RAVENNA/DPA. - Deutschlands Spitzenschwimmer Paul Biedermann ist stets ein Kritiker der High-Tech-Anzüge und der daraus resultierenden Weltrekord-Flut gewesen. Seine beiden Europarekorde im Juni über 200 Meter Freistil erzielte der 22-jährige Hallenser noch in einem Modell aus dem Jahr 2007. Bei der WM in Rom - die Schwimmer starten am 26. Juli - wird er einen neuen Anzug seines Ausrüster (Arena) tragen. Mit dem Europameister sprach Marc Zeilhofer.
Verdient das neue Material die Bezeichnung "Wunderanzug"?
Paul Biedermann: "Das hört sich ein bisschen komisch an, da denkt man wirklich, man muss überhaupt nicht mehr trainieren. Ich glaube nicht, dass das ein Wunderanzug ist, der X-Glide ist auf jeden Fall ein gutes Material."
Was sind die Unterschiede zwischen dem alten und neuen Anzug?
Biedermann: "Man hat wesentlich mehr Auftrieb. Ich muss weniger Kraft aufwenden, um vorwärts zu kommen. Bei einem 25-Meter-Sprint brauche ich in Badehose um die 16 Züge, in so einem Anzug sind es nur noch zwölf. Dementsprechend verschiebt sich auch die Schmerzgrenze. Man kann länger schneller schwimmen, ohne die Schmerzen zu bekommen."
Wie lange brauchen Sie, um einen neuen Anzug anzuziehen?
Biedermann: "Beim ersten Mal habe ich eine halbe Stunde gebraucht, aber die Anzüge passen sich dann auch an. Man sollte sie zwei bis dreimal an Land angezogen haben, damit man im Wettkampf relativ schnell reinkommt. Handschuhe brauche ich nicht, weil das Material nicht so aggressiv ist. Ich kenne andere Anzüge, da reißt du dir ohne Handschuhe regelmäßig die Fingerkuppen auf."
Michael Groß als ihr Rekord-Vorgänger über die 200 Meter Freistil ist ja noch in Badehose geschwommen. Ist eine Rückkehr zu den Wurzeln wünschenswert oder nur Wunschdenken?
Biedermann: "Schwimmen ist eine Sportart, wo es ein bisschen um Technik und Eleganz ging. Es muss ja auch nach was aussehen. Schwimmen ist ja nicht nur durchs Wasser preschen wie blöd. Der Schritt zurück zur Badehose ist nicht mehr realisierbar, der Fortschritt geht auch am Schwimmen nicht vorbei."
Welche Rolle spielte Groß auf ihrem Weg zum Spitzenschwimmer?
Biedermann: "Es ist klar, wenn man wie er 200 Kraul schwimmt und dann so langsam an seine Zeiten herangekommen ist, dass man immer mit ihm konfrontiert wurde. Das hat mich auch natürlich sehr stolz gemacht. Ich muss aber auch sagen: Ich hatte nie ein Vorbild im Sport oder auch sonst. Ich war sehr froh, ihn bei den Olympischen Spielen in Peking kennen zu lernen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, wir haben uns super unterhalten. Er ist nach wie vor die lebende Schwimm-Legende."
Die WM in Rom findet unter freiem Himmel statt. Was sind die Unterschiede zu einer Halle?
Biedermann: "Die sind natürlich wetterbedingt. Am besten wären Bedingungen wie in der Halle, windstill und nicht zu warm. Wenn es 30 Grad sind im Finale und dann noch massig Wind, dann ist das für mich schon störend. Wir sind das überhaupt nicht gewohnt. In Budapest bei der EM 2006 musste zwei Minuten vor dem Rennen der Wettkampf wegen Regens abgesagt werden, das war schon ärgerlich."
Schwimmen Sie in Rom die 400 Meter neben ihrer Spezialstrecke 200 Meter Freistil?
Biedermann: "Ich werde sie schwimmen. Aber ins Finale zu kommen, das glaube ich fast nicht. Dafür habe ich durch die Krankheit (Eppstein-Barr-Virus, Anm. d. Red.) zu wenig trainieren können."
Wie verbringen Sie nach Rom ihren Urlaub?
Biedermann: "Ich werde sehr lange ausschlafen, die Beine baumeln lassen, mich mit Freunden treffen und kurzfristig irgendwo Urlaub mit meiner Freundin machen."