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Nationalpark Hainich Nationalpark Hainich: Nur ein Katzensprung bis zum Urwald

Von Yvette Meinhardt 09.09.2004, 18:09

Halle/MZ. - Urwüchsige Bäume stimmen ein Lied an, der Wind verfängt sich in hohlen Stämmen, die Blätter säuseln unter den Wipfeln und ein Echo schallt stimmgewaltig zurück. Sonnenlicht durchbricht das Blätterdach - willkommen im Nationalpark Hainich. Ranger Rüdiger Biehl auf dem Sprung zwischen urwüchsiger Natur und sanftem Tourismus.

Der Thüringer Nationalpark liegt im Windschatten der Wartburg, touristisch beinahe noch ein Niemandsland. Die Rotbuche gibt in der Mitte von Deutschland den Ton an. Die Laubwaldpracht wirkt wie eine grüne Kathedrale: Säulen aus glatten, geraden Stämmen und ein Dach aus bunten Laubkronen. Auf großer Fläche stocken Plenterwälder. Vom Sämling über den Jungwuchs, das Stangenholz bis zum ausgewachsenen Baum steht die Baumfamilie auf kleinster Fläche räumlich beieinander. "Natur Natur sein lassen" lautet die Devise. Umgestürzte Bäume bleiben liegen, am Totholz entsteht allmählich neues Leben. Ein Paradies für Moose und Flechten, Käfer, Frösche und Eidechsen. Ausgestorben geglaubte Pflanzen feiern Auferstehung. Rüdiger Biehl, aufgewachsen in einer Försterfamilie, hütet im Hainich die Schätze der Natur.

35 Jahre lang galten Teile des Höhenzuges, der hufeisenförmig die Städte Eisenach, Mühlhausen und Bad Langensalza umschlingt, als militärisches Sperrgebiet. Einzigartig die Bedingungen für Flora und Fauna, die schönsten Orchideen gedeihen im lichten Unterholz. Waschbären besetzen hohle Bäume, selbst die Wildkatze kehrt ins Paradies zurück. Etwa 30 an der Zahl besiedeln den Hainich. In der Nationalpark-Information in Kammerforst kann man sie sogar streicheln, ausgestopft versteht sich - in freier Natur huscht sie gelegentlich über die Wanderwege. Weniger scheu zeigen sich Rot- und Damwild, auch eine Wildschweinrotte marschiert schon mal am Tag durch den Wald. Allmählich kehrt auch der Mensch zurück, auf Entdeckungsreise im Urwald.

120 Kilometer Wanderwege locken, für Radfahrer stehen 50 Kilometer bereit, dazu ein barrierefreier Pfad für Rollstuhlfahrer und Blinde. Bäume messen, Rinde erfühlen, wie ein Specht klopfen - ein Erlebnis nicht nur für Behinderte. Außergewöhnlich die bereits entstandenen Projekte: Der Wildkatzenkindergarten lädt zum Klettern, Entdecken und Ausprobieren ein. Aus Robinien und mit viel Phantasie entstanden Heuschrecke, Mausoleum und Spinne. Das Mausoleum ist z. B. eine Art Irrgarten, ein Tunnel aus Weidengeflecht im Unterholz, eine Höhle mit vielen Wegen. Zehn Waldgeister begleiten nicht nur die Kinder, ein grünes Klassenzimmer befindet sich im Bau. Und zu diesem fabelhaften Wald erzählt Monika Hickstein die schönsten Märchen. Mit einer eigens gebauten kleinen Harfe nimmt sie nicht nur Kinder mit auf Märchenwanderung.

Hoch hinaus will der Nationalpark mit seinem jüngsten Projekt. Ein 36 Meter hoher Turm entsteht unter den Wipfeln und gilt als Ausgangspunkt für den Baumkronenpfad. Auf einer Länge von 300 Metern kann man einen neuen Lebensraum entdecken, Buchen unters Blätterdach schauen, bei Specht und Eichhörnchen anklopfen. Eine kühne Vision, Zukunftsmusik der neuen Art im Hainich.