Namibia Namibia: Deutsche Weihnacht am Rande der Wüste

Swakopmund/dpa. - Es ist Hochsommer, mitten im Dezember. GanzNamibia ächzt unter der Sonne, die Temperaturen steigen auf mehr als40 Grad. Ganz Namibia? Nein. Ein kleines Städtchen am Atlantik trotztder Hitze. Ein kalter Meeresstrom, der von der Antarktis gen Äquatorzieht, beschert Swakopmund ein Klima mit erträglichen Temperaturenund macht den Ort zur Fluchtburg für hitzemüde Afrikaner. In denWochen vor Weihnachten tauschen sie dabei in ein Stadtbild ein, dasan die Zeit erinnert, als Deutschland hier Kolonialmacht war.
Ein Stück Deutschland am Rand der Wüste - so wird Swakopmund oftbeschrieben. Die deutscheste Stadt südlich des Äquators wartet mitdem Charme eines Nordseebads auf. Wilhelminische Bauten prägen dasStadtbild, an allen Ecken und Enden ist das Erbe der Kolonialzeit von1884 bis 1915 zu spüren, als Namibia Deutsch-Südwestafrika hieß unddes Kaisers Truppen an der Küste landeten. Wo sonst in Afrika gibt esein «Altes Amtsgericht» oder wird der Sand vom Bürgersteig gefegt?
«Du kannst Englisch, Afrikaans oder sonst etwas reden. Die altenDamen antworten in jedem Fall auf Deutsch», bringt TaxifahrerFernando seine Erfahrungen auf den Punkt, während er sein Auto vorder «Prima Schlachterei» parkt. Deutsche Brötchen, deutsches Bier,deutsche Apotheken - nur rund 20 Prozent der Einwohner sind deutscherAbstammung, doch ihr Einfluss ist überall zu erkennen. Und dieNachfahren der einstigen Eroberer pflegen ihr Brauchtum.
Der Tankwart trägt Nikolausmütze, im Supermarkt gibt'sDominosteine und Lebkuchen. Und manchem wird es glatt zu hektisch beidem vorweihnachtlichen Touristentrubel. «Das Schöne an Swakopmund istja eigentlich seine Ruhe», sagt die Künstlerin Eireen, die ausSüdafrika stammt und vor einigen Jahren ins Nachbarland auswanderte.«Mich fasziniert die Nähe zur nah gelegenen Namibwüste. Innerhalbkürzester Zeit kann ich totale Einsamkeit um mich herum haben.»
Es ist wohl der Mix aus wilhelminisch-kolonialem Erbe undafrikanischer Gelassenheit, der den Charme der Stadt ausmacht. JederDeutsche, sagt der Tourist Kurt Weimer aus Mörfelden-Waldorf, freuesich, wenn er 10 000 Kilometer von zu Hause entfernt wieder Deutschhört: «Wir sind extra ins Café Anton gegangen, um eine SchwarzwälderKirschtorte zu essen.» Selbst die Townships, in denen ein Großteilder schwarzen Bevölkerung lebt und die mit organisierten Tourenerkunden werden können, seien viel ordentlicher als in Südafrika.
Der 21 Meter hohe weiß-rote Leuchtturm von Swakopmund könnte auchan Nord- oder Ostsee stehen. Fachwerkhäuser säumen den Strand,zahlreiche im Jugendstil erbaute Häuser würden zudem jederbaden-württembergischen Kleinstadt zur Ehre gereichen. In ihnenversprüht der «Hackiebusch» - ein Weißdornbusch mit weihnachtlichemSchmuck - adventlichen Charme. Dennoch ist etwas elementar anders: Esgibt keinen Schnee in Swakopmund. Weiß ist lediglich der Strand.
«Dafür gibt es die Christmasparty in der Beach Bar» - und die seisehr zu empfehlen, sagt die Deutsch-Namibierin Irmi Schreiber, dieregelmäßig zur Weihnachtszeit Swakopmund ansteuert und sich danngerne auf einen Rave plus Cocktail am Strand einlässt.
Palmen statt Weihnachtsbaum, Gin Tonic statt Glühwein, Sandboardstatt Snowboard - wer es nicht mit der Architektur der Kaiserzeitoder Abtanzen hält, greift auf das Sportangebot im Umland zurück. Esreicht von Hochseeangeln über Quad-Fahren und Volleyball am Strandbis hin zu Rundflügen und Fallschirmspringen. Auf der einen Seite derKüstenstraße ruht die Wüste, auf der anderen Seite thront das Meer.Wer Glück hat, sieht ein paar Delfine durchs Wasser gleiten.
Die Meerestemperaturen vor Swakopmund klettern selten über 16Grad, vormittags ist es oft neblig und nasskalt. Und ob die Sonnesich überhaupt durch die allmorgendliche Nebelbank kämpft, istunsicher. Doch die Hotels sind in den Wochen rund um Weihnachten oftausgebucht, die Restaurants gut gefüllt - gerade weil es nicht soheiß ist wie im übrigen südlichen Afrika.
Als Wahrzeichen der Stadt gilt die «Jetty», eine rostigeEisenbrücke, die 260 Meter lang ins Meer ragt. 1912 alsLandungsbrücke gebaut, wurde sie zwar nie als solche genutzt. Dennocherfreuten sich unzählige Angler und Urlauber an ihr. Zwar ist die«Jetty» derzeit gesperrt: Verrostet und veraltet ist sie, das kalteMeer hat ihr zugesetzt. Zu gefährlich wäre ein Balancieren auf demUngetüm. Nach jahrelanger Investorensuche startete im Sommer 2005eine millionenteure Restaurierung des Kolonialrelikts. Verliebtendauert das aber zu lange: Um der Liebe den letzten Kick zu geben,gilt Knutschen auf der Jetty als «der» Geheimtipp in Swakopmund.
Informationen: Namibia Tourism Board, Schillerstraße 42-44, 60313Frankfurt (Tel.: 069/133 73 60, Fax: 069/13 37 36 15)
