MZ-Aktion MZ-Aktion: Pflaster mit mittelalterlichem Flair
Ateritz/MZ. - Marianne Bötzsch ist ebenfalls da, ausgestattet mit dem Mandat ihres Sohnes, doch einige Beschwerden vorzutragen (Diesen Auftrag wird sie im übrigen gewissenhaft ausführen.) Und Margarete Zschieschang? Sie gesellt sich in Begleitung ihres Mannes zu dem kleinen Grüppchen, um "zu hören, was die anderen denn so sagen." Treffpunkt ist die Freiwillige Feuerwehr, dort, wo einst der Konsum war, den man nicht nur aufsuchte, um Lebensmittel, sondern auch neuen Gesprächsstoff zu besorgen. "Jetzt sieht man sich selbst nur vom Auto bis zur Haustür laufen", meint Frau Zschieschang.
"Hier gibt es keine Geschäfte mehr, keine Kultur", stimmt Frau Nowack mit ein. Und Frau Bötzsch: "Ich fahre manchmal nach Trebitz, da gibt es wenigstens eine Kirche, eine Schule und einen Friedhof." Auch Wittenberg ist für den einen oder anderen eine Reise wert und wer selbst nicht mehr Auto fahren kann, lässt sich chauffieren. "Eine Busfahrt aber kostet sieben Mark", und der Bus fährt selten. "Und für so viel Geld kommste von Düben bis Leipzig." Kemberg wäre von der Entfernung her bequem mit dem Fahrrad zu erreichen. Doch: "Es gibt nicht mal einen Radweg an der B2. Das ist ja lebensgefährlich, dort entlang zu fahren," empört sich Bötzsch und denkt dabei mit Grausen an die Kinder, die per Rad nach Kemberg zur Schule fahren.
Überhaupt, so meint Karsten, 28, Sohn und Chauffeur von Frau Nowack, ist hier nichts für Kinder. "Es gibt keine Kinderfeuerwehr, keine Fußballmannschaft", und er schlägt deswegen vor sich für solche Aktivitäten mit Lubast zusammenzuschließen. Dabei gibt es in Ateritz eine agile Feuerwehr, wie Feuerwehrmann Andreas Wende betont. "Damit se auch mal was Positives schreiben über Ateritz." Stimmt auch. Das neue Feuerwehrdepot kann sich ja sehen lassen, und da haben die 70 Feuerwehrleute einige Zeit mit investiert. Allerdings nur die Alten und die ganz Jungen, "sobald die Lehre beginnt sind sie doch weg im Westen", klagt Wende über Nachwuchssorgen. Und die Jugendlichen, die es noch gibt? Es sind wenige, und die treffen sich an der Wartehalle, die mittlerweile ein Dorn im Auge einiger Bewohner ist, so wie sie "die Halbstarken" verschandelt haben. "Die Lümmel von heute halt", versucht Karsten ironisch zu besänftigen und gibt zu bedenken, dass es für Leute in seinem Alter eben kein Angebot gibt. Nur selten bekommt Ateritz Besuch von außerhalb, und der hat es schwer, sich zurechtzufinden.
"Ein Schild zu unserem Ortsteil Gommlo gibt es nicht", beschwert sich Frau Bötzsch und zeichnet gestenreich die Irrfahrten der Fremden nach. Wuseln die sich durchs Dorf, die Lindenstraße entlang und weiter - landen sie direkt in einer Sackgasse: der einstige Durchlass mündet im Privatbesitz und ist deshalb gesperrt. Ein Unding ist das, finden die Frauen. Und wer sich von anderer Seite Richtung Reinharz aufmacht, kommt dort nie an: Poller blockieren den Weg. "Es ist nicht zu fassen", schüttelt man den Kopf. Einige Dorfstraßen sind noch nicht saniert, sollen jedoch bald befestigt werden. Was einige begrüßen, wie Frau Nowack, die sich über das Pflaster beschwert, weil es lärmt, wenn Autos drüber weg brausen und weil es holpert, ist man mit dem Rad unterwegs.
"Andererseits wird das später vielleicht eine einzige Rennstrecke, vermutet Frau Bötzsch. Und trocken kommt der Einwurf von Karsten Nowack. "Dann bleibt das Pflaster eben, es passt ja auch zum Mittelalterlichen Flair von Ateritz." Alfred Strube, der Bürgermeister taucht auf und findet es schade, dass er erst auf diese Weise erfährt, was seine Bürger denn so bewegt. "In der Gemeinderatssitzung ist höchstens einer von euch dabei." Die Probleme sind doch nicht neu, winken die Frauen ab. Erstens. Und zweitens hat man den Eindruck, bei diesen Sitzungen eh nichts ausrichten zu können.