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Motorradmehrkampf Motorradmehrkampf: Harzer auf zwei Rädern

Von Detlef Anders 22.12.2002, 18:11

Straßberg/MZ. - Der Motorsportclub frönt einem nicht alltäglichen Sport - dem Motorradbiathlon (siehe Kasten). Abgerissene Lenkergriffgummis künden von den harten Bedingungen, denen Fahrer und Maschinen aussetzt sind. Stürze sind etwas normales für die zwölf- bis 32-jährigen Motorradfreunde. Im Gegensatz zum Moto-Cross, wo die Fahrer mit Spezialmaschinen bei hohem persönlichen Einsatz und mitunter hohem Risiko relativ kurze Strecken fahren, sind beim Motorrad-Biathlon Ausdauer und Sitzfleisch gefragt, erklärt Raimund Riedel, der Vorsitzende des Straßberger Vereins. Eine Stunde dauert schließlich ein normaler Wettkampflauf, es können aber sogar drei Stunden sein.

Die Sportart gibt es offiziell erst seit 1991 / 92, doch sie ist im Grunde schon viel älter. Der Motorradbiathlon ist der Motorrad-Mehrkampf, der als Wehrsportart in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) betrieben werden konnte. So verwundert es eigentlich nicht, dass die Sportart vor allem in den neuen Bundesländern beliebt ist. Doch es gibt auch Motorradclubs in den alten Bundesländern, die den Sport für sich entdeckt haben, berichtet Heiko Schuller. Schuller wurde im Oktober deutscher Vizemeister. Damit, freut sich Raimund Riedel, steigt der 31-jährige Straßberger in die Fußstapfen von Riedel, der 1971 Vizemeister wurde, und Uwe Berndt, der in den achtziger Jahren DDR-Vizemeister war.

Raimund Riedel (61) führte den Motorradsport in Straßberg quasi ein. 1965 kam Riedel als junger Lehrer nach Straßberg. Im Jahr darauf begann er, mit Jugendlichen im Rahmen der GST auf Awo-Maschinen zu fahren. In der Sektion Motorsport nahmen meist etwa 20 aktive Fahrer auch an Motorradmehrkampf-Veranstaltungen teil. Die Wende überstand die GST-Sektion, indem die sich als Motorradsportclub im Deutschen Motorsportverband neu gründete.

50 bis 60 Mitglieder zählt der Verein heute. Neben der zwölfköpfigen Motorrad-Biathlon-Gruppe wird in Harzgerode auf dem Schulhof auch mit Kart-Wagen gefahren. Die "Harz-Füchse" frönen dem "Motorradtourismus". Sie fahren mit ihren PS-starken Boliden gemeinsam durch den Harz oder zu großen Motorsportveranstaltungen bis zum Schleizer Dreieck.

Heiko Schuller betreibt den Motorrad-Sport seit 1995. Der gelernte Instandhaltungsmechaniker, der einige Zeit VW und Audis reparierte, hat in Straßberg einen Motorradhandel mit Werkstatt. Treff der Straßberger Biker ist jedoch die eigene Werkstatt. "Die Maschinen werden mit viel Liebe und Aufwand hergerichtet", sagt Raimund Riedel. Nicht nur die Lampen verschwanden dabei.

Bei den S 50 werden auch die Motoren aufgepeppt. "Wir versuchen, aus den Maschinen das Maximum an Leistung herauszuholen", beschreibt Schuller. Dabei dürfen die 150 Kubikzentimeter Hubraum bei den Motorrädern oder die 70 Kubikzentimeter bei den Mopeds nicht überschritten werden. Die Juroren kontrollieren bei den Siegern der Wettkämpfe sogar den Kolbenhub und Zylinderdurchmesser. Das Wichtigste sei die Zuverlässigkeit, betont Schuller: "Mit einem Kerzenwechsel kann man nicht mehr gewinnen."

Die beliebten Zweiräder aus der DDR-Planwirtschaft werden zwar immer seltener, doch bislang tauchte stets ausreichend Nachschub auf. Nur bei den Verschleißteilen wird es eng. Viele der GST-Vorräte und auch die aus einer angekauften Zweiradwerkstatt, die kostenlos an die Vereinsmitglieder abgegeben werden, sind verbraucht. Ersatzteilspender sind deshalb gern gesehene Gäste in der Werkstatt.

Auch der jüngste Biker, Florian Buchmann, ist durch den Verein auf die Idee gekommen, Moped zu fahren. Und dabei weckte er beim Vater den Biker-Virus wieder. Michael Buchmann lernte zwar in seiner Jugend auch bei der GST das Motorradfahren, doch die 251er ETZ des 32-jähigen "Seniors" stand in den letzten Jahren in der Ecke. Als der Sohn plötzlich die Idee hatte, Moped zu fahren, tauschte Michael Buchmann die Maschine gegen eine 150er MZ und ließ sie bei Heiko Schuller komplett umrüsten.

Das Hobby ist für die jungen Biker im Vergleich zum Motocross günstig zu betreiben. "Das ist die letzte Sportart, die unter der Lizenz liegt, damit wird alles billiger", berichtet Raimund Riedel. Als Breitensportart könne jeder bei den Wettkämpfen mitfahren, erklärt Heiko Schuller. Bevor es eine Cross-Lizenz gibt, müssten dagegen erst verschiedene Nachweise erbracht werden.

Das Geländefahren ist in Straßberg Tradition. Doch die Harzer leiden stark unter dem Handicap, dass sie auf dem Kochsberg in der Nähe der Grube Glasebach nicht mehr fahren dürfen. Auch eine vorsichtige Anfrage bei der Naturschutzbehörde, ob nicht ein einmaliges Rennen in Straßberg ausnahmsweise genehmigt werden könnte, wurde abgelehnt. Für die Jugendlichen ist das bitter. Sie fahren mehrmals in der Woche nach Ballenstedt oder Westerhausen zum Training. Dabei müssen bis zu acht Maschinen auf einem extra angefertigten Spezialanhänger geladen werden. Einfacher ist es nur für die Brüder Andreas und Marko Köhn. Sie wohnen als Gernröder einfach näher am Trainingsort und profitieren von der Unterstützung ihres aus Straßberg stammenden Vaters Uwe Köhn.

Das teuerste an dem Sport ist für manche Crosser wohl die Kleidung. "Ich habe auf der LPG gearbeitet", bekennt Marcel Hohmann. In den Ferien hat er sich die 300 Euro für Stiefel, Helm und Lederanzug verdient. Eltern und Großeltern schießen aber auch ein paar Euro zu. Sonst hätte Tino Wiedemuth seine Yamaha für damals 6 800 Mark nie bekommen.

Nach einigen Tiefpunkten blickt Raimund Riedel wieder optimistisch in Zukunft seines kleinen Trüppchens. Für das neue Jahr gibt es schon wieder zwei Neuanmeldungen. Die meisten der Straßberger Motorradbiathleten sind 16 Jahre alt. Sie fahren zumeist in der Klasse bis 70 Kubikzentimeter oder, wie Tino Wiedemuth, in der Spezialklasse für Crossmaschinen. Wiedemuth, der diesjährige Vizelandesmeister, wurde bei den deutschen Meisterschaften nach einem zweiten Platz im ersten Lauf Siebter. Bei den MZ-Mannschaften belegten die Straßberger auch einen zweiten Platz. Nico Marcinek (acht Jahre) nennt Riedel zudem als Vizelandesmeister bei den Kart-Fahrern. Erfolge, die auch ein Verdienst des Mathematik- und Technik-Lehrers sind.