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Motorrad-WM Motorrad-WM: Weltmeister in der Boxengasse

06.11.2011, 16:12

VALENCIA/MZ. - Der Gewinn eines Weltmeister-Titelsist ein herausragendes Gefühl, das bei jedem, der es erleben darf, andere Emotionen hervorruft. Manch einer weint Freudentränen, andere wiederum köpfen sofort die Sektflaschen und feiern.

Stefan Bradl, 21 Jahre alt, war im ersten Moment enttäuscht. Der Motorrad-Rennfahrer aus dem bayerischen Zahling sah sich beim finalen Grand Prix in Valencia um das adrenalingeladenste Rennen seiner jungen Karriere gebracht. DasFlair habe gefehlt, sagte Bradl, weil er ohne eigenes Zutun bereits am Sonnabend, einen Tag vor dem Rennen, Weltmeister in der Moto2-Klasse geworden war. Sein ärgster Widersacher Marc Marquez hatte wegen der Folgen eines Sturzes nicht am Qualifying teilnehmen können. Schwupps war Bradl Weltmeister; der erste deutsche seit Dirk Raudies vor 18 Jahren. "Ich hätte mir den Titel aber lieber auf der Strecke geholt", klagte er. Weltmeister in der Boxengasse klingt ja auch blöd.Bradl, der beim sonntäglichen Rennen nach einem Sturz in der fünften Runde ausschied,kam früh mit dem Zweiradsport in Kontakt: Im Alter von vier Jahren saß er erstmals auf einer Rennmaschine,einer Honda QR-50 mit 2,5 Pferdestärken.Sein Vater Helmut, 1991 WM-Zweiter, war der Katalysator für eine spätere Karriere. Bradl senior realisierte schnell, dass er im Junior seinen eigenen, unerfüllten Traumweiterleben könnte: Der Filius sollte irgendwann Weltmeister werden.

17 Jahre nach Stefans ersten Runden haben beide ihr Ziel erreicht. Der Weg dorthin war nicht immer einfach. Vor vier Jahren war Bradl kurzzeitig zurückgetreten, weil er sich in einem spanischen Team eingeengt gefühlt hatte, sein Vater und Ratgeber plötzlich nicht mehr in seiner Nähe sein durfte. Doch ein paar Monate später trieb es Bradl schon wieder zurück auf die Rennstrecke. Er hatte gemerkt, dass die Sucht nach Tempo und Triumphen unwiderruflich zu einem Teil von ihm geworden war.

In dieser Saison wirkte Bradl aber eher wie ein Achterbahnfahrer, denn wie ein Motorrad-Pilot. Sein Jahr begann furios, als er nach sechs Rennen und vier Siegensouverän führte. Dann aber, zehn sieglose Grand Prix später, hatte er seinen 62-Punkte-Vorsprung eingebüßt. Der Spanier Marc Marquez, 18 Jahre alt,fuhrallen davon und hatte Bradl vor den letzten beiden Rennenvom Spitzenplatz verdrängt. Dass Bradl dennoch Weltmeister wurde, wird zukünftig vor allem mit Marquez’ Ausfall in Valencia assoziiert werden. Deshalb ärgerte sich der Zahlinger auch über den Sieg in der Boxengasse.

Trotzdem soll Bradl nun als schillernder Weltmeister dem in Deutschland vor sich hin darbenden Zweiradsport neues Leben einhauchen, mit der Aufmerksamkeit um seine Person Sponsoren anlocken. Denn nur mit potenten Geldgebern hat man in der Motorrad-WM eine Siegchance. In diesem Zusammenhang fügt es sich, dass Bradl ein weiteres Jahr in der zweitklassigen Moto2 fährt, in der er größere Chancen auf den Weltmeister-Titel hat als in der Königsklasse MotoGP. Dorthin möchte er aber unbedingt 2013 aufsteigen.

DassStefan Bradl bei dem Erfolg und den Erwartungen nicht abhebt, dafür wird Vater Helmut sorgen. Schon kurz nach dem Titelgewinn seines Sohnes kündigte er an: "Wenn ich Stefan in meiner Werkstatt brauche, dann muss er auch herhalten. Da ist es egal, ob er Meister oder der Kaiser ist."