Motocross Motocross: Fliegende Stars im Kessel
Teutschenthal/MZ. - Sturm kann einiges durcheinander wirbeln. Er zwingt Zelte in die Knie, wirft Streckenzäune um. Auf gut Deutsch: Er bringt Stress am letzten Tag vor den Motocross-Weltmeisterschafts-Rennen in Teutschenthal. Tausend Kleinigkeiten sind ohnehin zu erledigen, und dann das. Doch das Team um Rennleiter Andreas Kosbahn und seinen Vize Günter Röder wirft Sturm nicht aus der Bahn: "Das kriegen wir bis morgen alles hin", sagt Röder.
500 000 Euro Kosten
Klar, denn obwohl alle im Ehrenamt tätig, sind sie Profis beim Motorsportclub (MSC) Teutschenthal. Hinter dem Bild, das am Tag vor dem Start dem Gewimmel eines Ameisenhaufens gleicht, steckt System. Der 240 Mitglieder starke Verein ist bereits zum 14. Mal Ausrichter von Weltmeisterschafts-Rennen, der einzige in Deutschland, der einen so hochkarätigen Wettkampf veranstaltet. Einen ebenso guten wie teuren. Rund eine halbe Million Euro kostet das Wochenende. "Da sind schon ein paar schlaflose Nächte und Angstschweiß dabei", sagt MSC-Vorsitzender Achim Jahnke. "Und am Ende ist man froh, wenn man mit einer schwarzen Null rauskommt."
Der oft auch nur Kessel genannte Talkessel von Teutschenthal gilt als eine der schönsten Natur-Motocross-Anlagen Europas und als sehr zuschauerfreundlich: Mehr als 80 Prozent der Strecke sind von jedem Punkt aus einsehbar. 1971 fand auf der Vereinsanlage zum ersten Mal eine WM statt, seit 1993 wieder regelmäßig. In der 41-jährigen Geschichte des Kessels gab es aber durchaus Momente, in denen denen Finanzsorgen über dem rund 30 Hektar großen einstigen Tagebaugebiet lagen. Vor wenigen Jahren klaffte nach der WM in der Kasse ein Loch von 30 000 Euro - Politik und Sponsoren sprangen ein. Diesmal hoffen die Organisatoren auf 30 000 Zuschauer. Mit dem im Vergleich zu anderen WM-Läufen moderaten Eintritt werden zwei Drittel der Kosten bestritten.
Ohne die Clubmitglieder läuft dabei nichts. 40 bis 50 aus dem "harten Kern" bringen es allein im Jahr auf 2 500 bis 3 000 Arbeitsstunden, um die Anlage in Schuss zu halten. Mehr als zwei Millionen Euro wurden in den vergangenen Jahren investiert, Tunnel für die Zuschauer gebaut, Tribünen, eine Bewässerungsanlage für die 1 750 Meter lange Strecke. Rund 100 Helfer sind am Wochenende im Einsatz. Am Tag vor den Rennen weisen sie die Teams ein, prüfen die Crossmaschinen der Starter, präparieren noch einmal die Strecke. "Das ist straff organisiert wie in einem Betrieb", sagt Clubsprecherin Karola Waterstraat. An Feierabend denkt da niemand. "Am Sonntag bin ich kaputt, aber nicht froh, dass es vorbei ist", sagt Alexander Lindner. Der 48-Jährige ist ein Teil des "Familienunternehmens" MSC, seit 31 Jahren dabei und verantwortlich für das Fahrerlager mit seinen 70 Trucks und bis zu 90 Wohnmobilen. 2 000 Mann stark ist allein das Feld aus Fahrern und Teams. Lindner verbringt seit zwei Wochen Zwölf-Stunden-Tage auf der Anlage, jetzt werden es mindestens 16 Stunden täglich sein. Nur gut, dass die Faszination Motocross in der Familie liegt: Lindners Frau ist ebenfalls dabei, seine Tochter hat schon als Vierjährige im vergangenen Jahr an der Startmaschine ausgeholfen.
Der Lohn für die Strapazen? Das sind Fahrer wie der deutsche Hoffnungsträger Max Nagl, der den Kessel zu seiner Lieblingspiste erkoren hat. "Die Strecke ist schnell und hat viele Auf- und Abfahrten", schwärmt der 19-Jährige. Das garantiert rasante Talfahrten und Sprünge. "Für die Gemeinde ist das eine hervorragende Plattform, sich international zu präsentieren", sagt Bürgermeister André Herzog (parteilos). Zudem sei der Sport Wirtschaftsfaktor. "Die Unternehmen, die hier unter Vertrag sind, profitieren enorm - ob nun Cateringfirmen oder Hotels."
Interesse steigt
Auch der Motorsport-Landesverband sieht stolz nach Teutschenthal, wenn dort die Motoren aufheulen: "Die Anlage ist einfach ideal", sagt Motocross-Chef Holger Krüger. Und sie verspricht dem Sport neuen Zulauf. "Das Interesse für Motocross ist in den vergangenen zwei Jahren wieder größer geworden", so Krüger. 370 Fahrer hat das Land heute, 17 Anlagen, auf denen Landesmeisterschaften ausgerichtet werden, eine für deutsche Meisterschaften. Und eben den Talkessel. Mit einem Vertrag für WM-Rennen, der mindestens bis 2010 läuft. Und derzeit wohl nicht in Frage steht, wenn man den zufrieden lächelnden MSC-Chef Jahnke hört: "Selbst unser Weltverbands-Präsident hat gestern gesagt: Es gibt nur eine Nummer eins in Deutschland." Teutschenthal.