Liebesleben
Hamburg/dpa. - Im Roman «Liebesleben» der Israelin Zeruya Shalev berichtet eine junge Erzählerin von einer Amour fou zu einem älteren Mann.
Maria Schrader, als Schauspielerin aus ambitionierten deutschen Dramen über die Nazi-Zeit bekannt («Aimée und Jaguar», «Rosenstraße»), hat diesen schwierig zu verfilmenden Text für ihr Regiedebüt ausgewählt. An diesem Mittwoch (21.50 Uhr) sorgt der Kultursender Arte für die TV-Erstausstrahlung der rund drei Millionen Euro teuren deutsch-israelischen Filmproduktion «Liebesleben», die im Herbst 2007 in die Kinos kam.
In dem Buch wechselt der Erzählfluss zwischen Assoziationen, Erinnerungen und Wahrnehmung der Gegenwart. Den Mechanismen des Filmschaffens folgend mussten Schrader und Co-Drehbuchautorin Laila Stieler auf die Gedankensprünge und die extreme Ich-Perspektive verzichten. Doch Schrader geht einen Schritt weiter: Sie gestaltet Handlung und Figuren um und entwirft Schlüsselszenen komplett neu. Die Regisseurin umgeht die Frage, wie textnah eine Romanverfilmung sein muss. Jeder Leser mache sich schließlich seine eigenen Bilder, sagt sie. «Am Ende ist es einfach meine Assoziation zu dem Roman», gibt die 42-Jährige freimütig zu.
Schwungvoll erzählt die Regiedebütantin ihre ganz persönliche Version von «Liebesleben». Die dramatischen Kammerspiel-Sequenzen zwischen Tochter, Liebhaber und Eltern werden um opulente Landschaftsaufnahmen und beunruhigende Ausschnitte der politischen Gegenwart in Israel ergänzt. Bei dem Filmvorhaben konnte Schrader auf die Unterstützung der Autorin Shalev setzen. Im Jahr 2000 lernte sie Shalev während einer Lesetour zum späteren Bestseller «Liebesleben» kennen. An ihrer Seite trat Schrader als Vorleserin der deutschen Übersetzung auf. Die israelische Autorin schlug Schrader damals vor, bei einem Filmvorhaben mitzuwirken.
Der kroatische Schauspieler Rade Sherbedgia («Batman Begins») ist in der Rolle des gefühlskalten Egozentrikers Arie eine Idealbesetzung. Arie nutzt die sexuelle Ergebenheit der etwa 30 Jahre jüngeren Jara (Netta Garti) brutal aus und will ein totgeschwiegenes Familiengeheimnis lüften, an dem er einst fast zu Grunde ging. Jaras Eltern, gespielt von Stephen Singer und Tovah Feldshuh, verschließen vor dem drohenden Unheil zunächst die Augen. Später stehen sich Vater und Tochter im Badezimmer des Liebhabers Arie gegenüber, nur ein Duschvorhang trennt sie. Doch der konfliktscheue Vater geht hinaus und weicht dem Anblick seiner nackten Tochter aus. Die Szene ist von Schrader erdacht und verschärft die Handlungsspirale des Dramas.
In «Liebesleben» geht es - vereinfacht gesagt - um Selbstfindung auf dem steinigen Lebensweg. Dieser sentimentale Anstrich wird ausgeglichen mit schonungslosen Bildern und Dialogen: Sexszenen grenzen an Vergewaltigung, und die betrogene Ehefrau liegt als Todkranke im Krankenhaus. Sie ist ein Gegenentwurf zur lebensbegierigen Jara. Maria Schrader ist mit «Liebesleben» ein eindrucksvolles, kraftvolles und zugleich verstörendes Regiedebüt gelungen.