1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Leichtathletik: Leichtathletik: Trainer nach WM-Blamage in der Pflicht

Leichtathletik Leichtathletik: Trainer nach WM-Blamage in der Pflicht

Von Ulrike John 08.03.2004, 16:28
Tobias Unger aus Kornwestheim präsentiert am Sonntag (07.03.2004) während der Siegerehrung bei der Leichtathletik-Hallen-WM in der Budapester Sportarena seine Bronzemedaille. Im Finale über 200 Meter wurde er hinter dem neuen Hallen-Weltmeister Dominic Demeritte von den Bahamas und dem Schweden Johan Wissmann Dritter. (Foto: dpa)
Tobias Unger aus Kornwestheim präsentiert am Sonntag (07.03.2004) während der Siegerehrung bei der Leichtathletik-Hallen-WM in der Budapester Sportarena seine Bronzemedaille. Im Finale über 200 Meter wurde er hinter dem neuen Hallen-Weltmeister Dominic Demeritte von den Bahamas und dem Schweden Johan Wissmann Dritter. (Foto: dpa) dpa

Budapest/dpa. - Nach der verpatzten Hallen-WM schrillen die Alarmglocken beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) immer lauter, doch bis zu den Olympischen Spielen wird sich die Misere kaum beheben lassen. «Wir haben unser Ziel nicht erreicht. Jetzt muss jeder die richtigen Schlüsse daraus ziehen», forderte der für den Leistungssport verantwortliche Vizepräsident Rüdiger Nickel noch am Sonntagabend in Budapest und nahm vor allem die Trainer in die Pflicht. Das deutsche Team verzeichnete mit nur ein Mal Bronze nicht nur die bisher schwächste Ausbeute bei internationalen Meisterschaften, sondern enttäuschte auch bei einzelnen Leistungen.

Bis auf Kugelstoßerin Nadine Kleinert und die Staffelläufer stellte keiner der 22 WM-Teilnehmer eine Saisonbestleistung auf. «Die fehlende Leistungskonstanz ist eine Frage des Trainingszustands», analysierte Nickel. «Daran haben die Trainer nun zu arbeiten.» An den Nerven kann es nicht liegen: Seit vergangenem Herbst begleitet der Psychologe Walter Wölfe (Ottobeuren) die Nationalmannschaft. «Er hat gute Kontakt zu den Athleten, aber das lässt sich nicht an Zentimetern oder Zehntelsekunden ablesen», sagte Nickel.

Eindeutiges und auch entlarvendes Zahlenmaterial lieferte hingegen der Medaillenspiegel: Hier lagen die Deutschen als 26. unter anderem gleichauf mit der Demokratischen Republik Kongo und Litauen. Selbst bei der in der Vergangenheit so gern zitierten Tabelle mit den Platzierungen war der DLV weit entfernt von einer Spitzennation: Rang 13 mit 6 Endkampf-Teilnahmen.

200-m-Sprinter Tobias Unger, der die einzige deutsche Medaille gewonnen hatte, versuchte die Bilanz zu relativieren. «Ich denke schon, dass die meisten bei uns sehr zielstrebig sind. Wartet doch mal Athen ab», bat er die Journalisten. Doch auch der Schwabe ahnte, «dass da noch ganz andere Kaliber» den deutschen Athleten Beine machen werden. Und ob die in Budapest fehlenden Stars wie Heike Drechsler, Ingo Schultz, Nils Schumann oder Grit Breuer bis dahin wieder in Topform sind, weiß niemand.

Für die Zeit nach den Sommerspielen, wenn Chefcoach Bernd Schubert abtritt, hat Verbandspräsident Clemens Prokop bereits «einen deutlichen Personalwechsel» angekündigt. Die Weichen dafür sollen bei der Spitzensporttagung im Mai gestellt werden. Machtlos werden die DLV-Funktionäre jedoch weiter mit ansehen müssen, dass aus praktisch jedem der 209 der IAAF angeschlossenen nationalen Verbände Weltklasseathleten auftauchen, um vom Prämienkuchen etwas abzubekommen. So holte dieses Mal Alleyne Francique von der 88 000- Einwohner-Insel Grenada in der Karibik Gold über 400 m.

Dass die bei der Hallen-WM erfolgreichste Nation Russland mit acht Titeln und drei Weltrekorden heimreiste, sorgte nicht nur hinter den Kulissen für Getuschel. Nicht umsonst verwies Nickel darauf, dass dort jährlich nur 60 Trainingskontrollen durchgeführt werden - im Gegensatz zu den 1100 bei den deutschen Athleten. Doch der Kampf gegen das Doping und um Chancengleichheit ist für die Verantwortlichen wie Nickel und auch IAAF-Vizepräsident Helmut Digel nicht weniger zäh als der ihrer Athleten um Meriten und Medaillen.