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Leichtathletik Leichtathletik: Riedel bezichtigt gestürzten Olympiasieger des Betrugs

Von Andreas Schirmer 25.08.2004, 14:34
Lars Riedel (l.) verlässt am Montag (23. August 2004) nach seiner Verletzung beim Diskuswerfen das Stadion in Athen. Der Deutsche hatte zu disem Zeitpunkt an achter Stelle gelegen. (Foto: dpa)
Lars Riedel (l.) verlässt am Montag (23. August 2004) nach seiner Verletzung beim Diskuswerfen das Stadion in Athen. Der Deutsche hatte zu disem Zeitpunkt an achter Stelle gelegen. (Foto: dpa) DPA

Athen/dpa. - Der Skandal um den gestürzten Diskus-OlympiasiegerRobert Fazekas hat sich zu einem brisanten Doping-Krimi ausgeweitet.Einen Tag nach der Aberkennung seiner in Athen gewonnenenGoldmedaille, die er wegen der Verweigerung einer Urin-Kontrollewieder verlor, bezichtigte sein deutscher Rivale Lars Riedel denMagyaren des systematischen Sportbetrugs. «Ich habe im letzten Jahrgezeigt bekommen, wie er Doping-Kontrollen manipuliert», erklärte derfünfmalige Weltmeister aus Chemnitz am Mittwoch in Athen.

Europameister Fazekas hingegen hat angekündigt, gegen seinenOlympia-Ausschluss Berufung bei der Ad-hoc-Kammer des InternationalenSportgerichtshofs (CAS) einlegen zu wollen. Unterdessen bestätigteder Chef de Mission des ungarischen Teams, Zoltan Molnar, dass auchdem Gewichtheber Zoltan Kovacs der Bann von den Spielen droht. Aucher hat nach seinem Wettkampf in der Klasse bis 105 kg einen Testregelwidrig vorzeitig verlassen.

Unter Doping-Verdacht ist auch die Dreisprung-OlympiasiegerinFrancoise Mbango Etone geraten. Wie der griechische FernsehsenderMEGA am Mittwoch berichtete, soll die 28-Jährige aus Kamerun nachihrem Triumph positiv getestet worden sein. Sie wäre nach Fazekas undder Russin Irina Korschanenko (Kugelstoßen) der dritte Athlet, der inAthen Gold verlieren würde. Auf Platz eins käme bei einer Bestätigungdes Vorwurfes die Griechin Hrysopiyi Devetzi.

Der 37 Jahre alte Riedel hatte beim Leichtathletik-Meeting am 19.Juli in Cuxhaven von einem ungarischen Werfer sogar eine Skizzeerhalten, auf der dargestellt sei, mit welcher Technik FazekasDoping-Tests manipuliere, indem er Fremdurin statt seines eigenenHarns abgibt. «Auf dem Zettel war eine lange Röhre mit Schaft zusehen, eine Art Katheter», erzählte der Olympiasieger von 1996, derwegen einer Verletzung das Athener Finale am Montagabend vorzeitigabbrechen musste. Da nur der Ungar Roland Varga auf der Ergebnislistedes Cuxhavener-Meetings als Achter auftauchte, müsste er derTippgeber gewesen sein. «Der Ungar hat auch noch gesagt: Sein Körper(Fazekas') ist voll mit Steroiden.»

Diese Informationen habe Riedel an den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) weitergegeben, der wiederum den Weltverband IAAF vondiesen Anschuldigungen unterrichtete. «Ich weiß davon. Wir habeneinen anonymen Brief erhalten», bestätigte der ungarische IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai. Geschehen sei daraufhin aber nichts,klagen Riedel und sein Trainer Karlheinz Steinmetz. «Es hat keineZielkontrollen für Fazekas gegeben», meinte der erboste Coach, derzudem Gyulai beschuldigt, die schützende Hand über seinen Landsmanngehalten zu haben: «Man wird recherchieren müssen, welche RolleGyulai spielt und ob er das gedeckt hat.» Steinmetz sprach von«Mafia-Bedingungen» in Ungarn und sagte: «Ich weiß noch viel mehr.»

Der Ex-Fernsehjournalist Gyulai verwies dagegen darauf, dassFazekas in diesem Jahr zwölf Mal kontrolliert worden sei. DenOlympia-Bann für seinen Landsmann, der in der Nacht zum Dienstag beider Doping-Probe nur 25 statt der geforderten 75 Milliliter Urinabgab und sich dann regelwidrig dem Kontroll-Procedere entzog, hälter für überzogen: «Das ist sehr bitter. Man hätte es auch andersmachen können. Er hat nur ein Drittel des Urins abgeben, doch dieseMenge hätte auch zu einer Analyse gelangt.» Allerdings gab Gyulai zu,dass Fazekas einen Fehler gemacht habe, als er zu den Kontrolleurensagte, «es ist mir egal und ich gehe».

Der Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees (NOK),Zsigmond Nagy, bezeichnete die Umstände der Urin-Proben-Entnahme als«unmenschlich». Fazekas habe vier Stunden nackt, unter psychischemDruck der Kontrolleure, im Kontrollzimmer zugebracht und dannentnervt aufgegeben. Einer der Kontrolleure habe ihm am eigenenKörper zu zeigen versucht «wie man pinkelt», sagte Nagy. Auch derArzt von Fazekas, Károly Piko, erklärte, die versuchte Urinproben-Abgabe sei in sehr aggressiver Atmosphäre verlaufen. 15 Kontrolleureseien dabei gewesen, sie hätten Fazekas ständig berührt, unteranderem auch an den Geschlechtsorganen.

Diese Ausreden will Ungarns NOK-Präsident Pal Schmitt aber nichtgelten lassen. «Der Sportler ist selber schuld, er hat eine großeDummheit gemacht», erklärte der ehemalige Weltklassefechter, der auchdem IOC angehört. Die Regeln müssten eingehalten werden. «Wenn jedermachen kann, was er will, gibt es Chaos», sagte Schmitt. Allerdingswehrt er sich gegen pauschale Doping-Verdächtigungen gegen sein Land:«Man darf es nicht verallgemeinern für den ungarischen Sport, in demes ein sehr gutes Kontrollsystem gibt. Es sind Privatinitiativen.»

Angesichts der ungebrochenen Betrugs-Mentalität fordert derdeutsche IAAF-Vizepräsident Helmut Digel, ertappte Dopingsünder nichtnur zu sperren, sondern sie auch finanziell zu belangen. «WennAthleten Olympischen Spielen oder anderen Wettkämpfen durch Doping-Vergehen Schaden zufügen, sollen sie auch für den Schaden aufkommen»,erklärte der für Marketing im Leichtathletik-Weltverband (IAAF)zuständige Spitzenfunktionär. «Wenn die Athleten es wagen, dieVerbände vor ordentliche Gerichte zu zerren, warum sollen wir dasnicht auch tun.»