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Leichtathletik Leichtathletik: Lobinger: Ohne «Rambo-Attacken» in die Olympia-Saison

Von Ulrike John 04.03.2004, 16:15
Tim Lobinger sitzt nach einem Fehlversuch in Dortmund auf der Matte (Foto: dpa).
Tim Lobinger sitzt nach einem Fehlversuch in Dortmund auf der Matte (Foto: dpa). dpa

Stuttgart/dpa. - Bei einem Sieg lässt er gerne die Hosen runter, bei einer Niederlage zerbricht er auch mal wütend die Latte. Doch verbal will sich Stabhochspringer Tim Lobinger in den nächsten Monaten zurückhalten. «Ich werde versuchen, in der Öffentlichkeit keine Rambo-Attacken mehr zu starten», hat sich der deutsche Rekordhalter für die Olympia-Saison vorgenommen. «Es kostet einfach viel Kraft, wenn man im täglichen Leben dauernd damit konfrontiert wird.» Am Wochenende will der 30-Jährige seinen Titel bei den Hallen- Weltmeisterschaften verteidigen. Doch Budapest ist nur eine Station auf dem Weg nach Athen, wo Lobinger auf seine erste olympische Medaille hofft.

Paradiesvogel, Exzentriker, Narziss, Großmaul, Nestbeschmutzer, Flegel - Lobinger passt anscheinend in jede bunte Schublade. Nach dem Rücktritt von Langstreckenläufer Dieter Baumann ist er beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) in die Rolle des Chefkritikers geschlüpft. Sein «Primadonnnaclub aufgefüllt mit Hosenscheißer» hat im vergangenen Jahr alle Diskussionen um die Krise in der olympischen Kernsportart begleitet. In Zukunft will der Sechs-Meter-Springer «erst einmal intern das Gespräch suchen». Nein, von Resignation sei keine Rede. «Ich will mich aus den Schlagzeilen halten und in aller Ruhe arbeiten.»

Schließlich hat Lobinger einiges aufzuholen. Wegen einer Blinddarmoperation Anfang November fehlen ihm etwa 300 Trainingssprünge. Allein in dieser Hallensaison hat er 14 Wettkämpfe geplant. «Das ist sehr, sehr viel. Aber im Winter muss ich die Technik herausfinden, mit der ich im Sommer springe.» Danach beginnt die eigentliche Trainingsphase, im Mai will der Vize-Europameister von 1998 ein paar Wettkämpfe in den USA bestreiten. Und dann läuft der Countdown für Athen.

Jeden Dienstagabend von 23.00 Uhr an ist Lobinger bereits auf dem Weg zu den Olympischen Spielen. Als einziger deutscher Sportler macht er bei der «Eurosport»-Dokumentation «M2A - Mission to Athens» mit. Acht Sportler aus aus acht europäischen Ländern - darunter auch die schwedische Schwimmerin Therese Alshammar und die italienische Volleyballerin Francesca Piccinini - werden bei ihrer Vorbereitung regelmäßig von einem Kameramann begleitet. «Wir bekommen wirklich kein Geld dafür. Für mich ist das eine Ehre», betont Lobinger.

Für PR-Aktionen ist der Höhenjäger immer zu haben - und deswegen auch gut im Geschäft. Lobinger wirbt bereits seit mehreren Jahren für ein Energiegetränk (Red Bull), Sonnenbrillen (Oakley) und einen Sportartikelhersteller (Puma). «Alle Verträge laufen über die Olympischen Spiele hinaus, das gibt Sicherheit.»

Auf dem Weg nach Athen baut der Profisportler auch auf die Unterstützung seiner Freundin Alina Baumann und seines Trainers Michael Kühnke. Der ist - ungewöhnlich für die Branche - ein Jahr jünger als sein Schützling. «Er ist mein längster und bester Freund», sagt Lobinger. «Michael hat in den letzten zwölf Monaten sehr viel gelernt und einen großen Sprung gemacht. Das stärkt mich extrem.» Zudem kann er sich auch immer Rat bei Bundestrainer Leszek Klima holen.

Klima hat bei den bisherigen Olympia-Auftritten Lobingers mitgelitten. In Atlanta 1996 wurde der Mann mit dem Zopf Siebter. «Ich war so euphorisch, so energiegeladen. Es war so viel möglich», erinnert er sich etwas wehmütig. «Aber die Luftfeuchtigkeit war hoch und ich bin mit Krämpfen aus dem Wettkampf gegangen.» Vier Jahre später in Sydney stürzte er als 13. völlig ab. «Da wollte ich alles nachholen und war total übermotiviert.»

Bei seinem dritten Auftritt im Zeichen der Ringe wird Lobinger deshalb auch gewaltig unter Druck stehen. In der Halle hat er zwar einen WM- und zwei EM-Titel gesammelt, doch im Freien reichte es bisher nur zu EM-Silber 1998 und -Bronze 2002. «Es gibt Tage, wo ich froh bin, dass Olympia noch so weit weg ist», sagt der siebenmalige deutsche Titelträger.