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Leichtathletik-EM Leichtathletik-EM: Dopingverdacht und Kokain-Skandal

Von Thomas Borchert 15.08.2006, 14:43

Stockholm/dpa. - Zwei Riesentüten und ein Paket vollerverdächtiger Arzneimittel sowie bizarre Kokain-Partys einstigerLeichtathletik-Stars haben die Göteborger Europameisterschaftnachträglich in ein trübes Licht gesetzt. Dass möglicherweise EM-Teilnehmer oder Betreuer aus Angst vor Entdeckung gleich ihrekomplette Drogen-Werkstatt auf der Straße vor dem Mannschaftshotel in einen Müllkorb gestopft hatten, sahen schwedische Medien am Dienstag als denkbare Panikreaktion.

Am Dienstag war noch unklar, in welchem Umfang die am Vortag vonPassanten bei der Polizei abgelieferten Präparate, Spritzen undSchläuchen verbotene Stoffe enthalten. «Wir müssen das jetzt imEinzelnen analysieren lassen», meinte Polizeisprecher Mats Glansberg.Beschriftet waren die Mittel auf Russisch. Das am Fundort gelegeneMannschaftshotel Opalen wurde von den russischen Teilnehmern sowieden Mannschaften aus Polen, Bosnien-Herzegowina, Montenegro,Gibraltar und Malta bewohnt.

Die russische Antidoping-Behörde hat alle Spekulationenhinsichtlich einer Beteiligung russischer Athleten zurückgewiesen.Die gefundenen Präparate sähen zwar verdächtig aus, räumte der Chefder Behörde, Nikolaj Durmanow, am Dienstag in Moskau ein.Andererseits könnte es sich bei dem Fund auch um eine plumpe Intrigehandeln. «Es fehlt nur, dass gleichzeitig noch die Visitenkarte einesSportlers gefunden wird», sagte Durmanow nach Angaben der AgenturInterfax. Seine Behörde sei bereit, alle seriöse Informationen zuüberprüfen. Auf dem Niveau von Gerüchten und Mutmaßungen diskutiereer jedoch nicht.

Auch wenn es sich, wie von einigen Experten vermutet, bei denhastig «entsorgten» Mitteln um harmlose Vitaminpräparate handelnsollte, gilt der Imageschaden für die Leichtathletik-EM durchDrogenskandale als dauerhaft. Dafür sorgte Ex-Hochsprung-Weltrekordler Patrik Sjöberg zusammen mit dem früheren HürdenläuferSven Nylander und Patrik Lövgren, einem Ersatzläufer der schwedischenSpringstaffel. Zusammen mit Sjöbergs Freundin und einem griechischemTrainer wurde das Trio bei einer nächtlichen Siegesfeier für denheimischen Dreispringer Christian Olsson wegen Kokain-Schnupfensfestgenommen.

Der 40-jährige Sjöberg, 1987 Weltrekordhalter im Hochsprung mit2,42 Metern, «bekannte» sich in einer ellenlangen Presseerklärung zuseiner «Dummheit» und begründete sie damit, dass er bei der sonst vonihm «zu 99 Prozent» abgelehnten Einnahme von Kokain schon betrunkengewesen sei. Nylander (41), ebenfalls in den achtziger Jahren einerder besten europäischen Läufer über 400 m Hürden, gab denKokainkonsum erst nach mehrtägigem Leugnen zu, obwohl die Polizei dieDroge auch in seinen Taschen gefunden hatte. Dabei dürften beruflicheInteressen im Spiel gewesen sein, denn Nylander verdiente sein Geldzuletzt ausgerechnet bei der Stiftung «Sauberer Sport» - alsAushängeschild mit Vorträgen gegen Doping und Drogen in Schulen undSportvereinen. Damit ist nun Schluss.

«Wir haben viel Gold, Silber und Kokain geholt» kommentierteSchwedens größte Zeitung «Aftonbladet» leicht zynisch die hässlichenBegleitumstände der Gastgeber-Erfolge bei der Europameisterschaft imGöteborger Ullevistadion mit der überragenden SiebenkämpferinCarolina Klüft an der Spitze. Schon während der laufenden EM hattedie Mannschaftsleitung Kugelstoßer Jimmy Nordin nach Hause geschickt,nachdem dieser volltrunken randaliert hatte und eine Nacht inPolizeigewahrsam statt im Mannschaftshotel zubringen musste.

Man müsse sich schon fragen, wie «sauber» Sjöberg eigentlich inseinen Glanzjahren gewesen sei, meinte «Svenska Dagbladet». Das Blatterinnerte daran, dass Sjöbergs vom Deutschen Carlo Thränhardt 1988eingestellter Weltrekord nur vom Kubaner Javier Sotomayor übertroffenund auf 2,45 m geschraubt wurde. Sotomayor war noch als Aktiver wegenKokain-Einnahme gesperrt worden.