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Leichtathletik Leichtathletik: Deutsche Sportler gehen am Stock

Von Ulrike John 24.08.2004, 13:33

Athen/dpa. - Die deutschen Leichtathleten gehen mal wieder am Stock: Bereits bei Halbzeit ihrer olympischen Wettkämpfe wird die medizinische Abteilung in Athen über Gebühr beansprucht, und dementsprechend sind die Ergebnisse.

Vor allem bei den Altstars spielen Knochen, Sehnen und Bänder nicht mehr mit. Als Symbolfigur dafür gilt der 37 Jahre alte Diskus-Riese Lars Riedel, der - einen Eisbeutel an die Adduktoren gepresst - aus dem Olympiastadion humpelte. Aber auch die Jungen plagen sich mit Verletzungen herum. «Die werden schon satt geboren und danach verhätschelt», lästerte Armin Hary, der 100-Meter-Olympiasieger von 1960, in einem Interview mit der Münchner «Abendzeitung».

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) steckt bei seinem Generationswechsel in der Klemme. Einerseits haben die Routiniers wie Riedel, Astrid Kumbernuss und Franka Dietzsch längst ihren Zenit überschritten. Andererseits hoffen die Funktionäre, dass sie doch noch die Bilanz aufpolieren können. «Der Verband hat keine Möglichkeit, einem Athleten, der schon große Verdienste erworben hat, zu sagen: Du bist alt, deine Knochen sind brüchig, mach' Platz für einen Jüngeren!», erklärte Sportwart Rüdiger Nickel.

Helmut Digel, der Vize-Präsident des Weltverbandes IAAF, fordert, dass die Sportorganisationen in Deutschland den erfolgreichen Athleten berufliche Perspektiven aufzeigen. «Viele Altgediente verdienen in ihrem Sport immer noch mehr, als wenn sie einen Beruf ergreifen würden und machen deshalb weiter.» Der Soziologe wies auch darauf hin, dass Länder wie Frankreich, Italien oder Australien eine soziale Absicherung bieten würden: «Das ist ein uraltes Problem. Wir müssen nach einer Lösung suchen, die zu unserem System passt.»

Riedel (Adduktoren), Kumbernuss (Sehne), Dreispringer Charles Friedek (Oberschenkelmuskel), die Hürdenläuferinnen Stephanie Kampf (Verdacht auf Haarriss) und Kirsten Bolm (Muskelfaserriss), Zehnkämpfer Dennis Leyckes (Verdacht Bänderriss), Marathonläuferin Ulrike Maisch (Schleimbeutelentzündung) stehen auf der Liste der Ausfälle.

Hinzu kommen zahlreiche angeschlagene Athleten. Ulrike Urbansky gestand nach ihrem Aus im Halbfinale über 400 m Hürden, dass sie mit einem Meniskusanriss gelaufen ist, die Schmerzen nur mit Spritzen und Tabletten betäuben konnte und bereits der Operationstermin für 6. September steht. Ähnliches gilt für Hürdensprinter Jerome Crews, der sich mit Leistenproblemen herumplagt und nach dem Vorlauf grußlos verabschiedete. Sprinterin Sina Schielke berief sich auf Sehnenschmerzen, Diskus-Dame Franka Dietzsch wollte hingegen eine Fußverletzung nicht als Ausrede für ihr Scheitern gelten lassen.

Dass Diskuswerfer Torsten Schmidt sich einen Fingernagel abriss, gehörte zu den kleineren Übeln. Knüppeldick erwischte es dagegen Frauensprint-Bundestrainer Eberhard König, der in der Dusche ausrutschte und sich einen dreifachen Bruch des Schulterblattes zuzog. «Wir haben jetzt das Verletzungspech, das jede Mannschaft mal ereilt, hoffentlich hinter uns», meinte Nickel und betonte. «Bis auf Riedel und Kumbernuss waren alle Verletzungen nicht vorhersehbar.» Die DLV-Führung überlegt jedoch, angesichts der vielen Ausfälle die Nominierungsrichtlinien zu ändern. «Möglich ist, dass wir zum zweifachen Normnachweis zurückkehren», sagte Nickel.

Eine der bekanntesten deutschen Leichtathletinnen reiste schon mit vielen Fragezeichen nach Athen: Grit Breuer. Während ihr Trainingspartner Nils Schumann, der Olympiasieger über 800 m, nach zwei Achillessehnenoperationen zu Hause blieb, will die 400-m-Spezialistin trotz der gleichen Verletzung unbedingt die Staffel verstärken. Vor gut einer Woche lief sie erstmals wieder ernsthaft die Stadionrunde in Spikes und meinte nach einem letzten Härtetest in Kienbaum: «Es ist schon fast ein Wunder, dass ich heute schon so weit bin.» Wie weit der Körper der Magdeburgerin wirklich ist, wird sich auf der harten Bahn des Olympiastadions zeigen.