Leichtathletik Leichtathletik: 17. US-Dopingfall im Olympia-Jahr
Colorado Springs/dpa. - Das Olympia-Jahr 2004 wird für die US-Leichtathletik mit einem traurigen Rekord enden - moralische Siegersind dagegen die noch nie so erfolgreichen Dopingfahnder und diesauberen Athleten. 400-m-Läufer Alvin Harrison ist bereits der 17.US-Leichtathlet, der in diesem Jahr für ein Dopingvergehen bestraftwurde. Angesichts der erdrückenden Beweislage im Skandal um dasDopinglabor BALCO akzeptierte der 30 Jahre alte Staffel-Olympiasiegervon 1996 und 2000 eine vierjährige Wettkampfsperre, obwohl keineinziger positiver Dopingtest vorlag.
«Das ist ein bitter-süßer Tag», meinte Terry Madden, derGeneralsekretär der US-Antidoping-Agentur (USADA), am Dienstagabendund gab damit seinen gemischten Gefühlen Ausdruck. «Es ist gut, dassein weiterer Athlet in der BALCO-Doping-Verschwörung seiner gerechtenStrafe zugeführt wurde. Es ist aber auch ein trauriger Tag, weil wirwissen, dass da eine Verschwörung im Gange ist. Athleten haben daszugegeben», betonte Madden. «Und es gibt Leute, die verboteneSubstanzen verwenden.»
Doppel-Olympiasieger Alvin Harrison, Zwillingsbruder des im Augustfür zwei Jahre gesperrten Calvin, stand auf der Fahndungsliste derUSADA. Obwohl er nie bei einer Kontrolle ertappt wurde, outete sichder Rundenläufer jetzt sogar als Betrüger eines besonders schlimmenKalibers: Harrison gab zu, bei seinen zahlreichen Siegen mit anabolenSteroiden, Insulin, dem Blutdopingmittel EPO, Wachstumshormonen unddem Psycho-Stimulanzium Modafinil nachgeholfen zu haben.
Harrisons vierjährige Suspendierung begann am 18. Oktober 2004;außerdem wurden alle seine Ergebnisse seit dem 1. Februar 2001 ausden Wettkampflisten gestrichen. Grundlage für die Verurteilung warenzahlreiche Dokumente, die der USADA im Zuge der BALCO-Affäre im Maivom US-Senat übergeben wurden. Präsident George W. Bush hatte vor demUS-Kongress ein schärferes Durchgreifen in Dopingfällen und harteStrafen sogar als ein Ziel seiner Regierungspolitik verkündet.
Das im nordkalifornischen Burlingame ansässige Bay Area LaboratoryCo-Operative (BALCO) steht im Mittelpunkt des größten Dopingskandalsim US-Sport. «Wir haben schon vor einem Jahr gesagt, dass dieSituation bei BALCO wie Doping von der schlimmsten Sorte aussieht»,erklärte Madden. «Leider hat sich dies als wahr erwiesen.» Die USADAwerde ihre Anstrengungen fortsetzen, «um die Rechte der sauberenAthleten zu schützen und jene vor Gericht zu bringen, die ihresportlichen Konkurrenten und das Publikum betrogen haben».
Alvin Harrison ist nach Kelli White der zweite Athlet, der ohnepositiven Test zu einer mehrjährigen Sperre verurteilt wurde. Whitewar zwar bei der WM 2003 in Paris des Missbrauchs von Modafinilüberführt worden, hatte sich im Mai 2004 im Zuge der BALCO-Ermittlungen aber geoutet. Die 27-Jährige gab zu, auch mit EPO undanabolen Steroiden betrogen zu haben. White verlor ihre beiden WM-Titel über 100 und 200 m.
Die nächsten spektakulären Fälle werfen schon ihre Schattenvoraus: Die USADA hat unter anderen 100-m-Weltrekordler TimMontgomery und die Staffel-Olympiasiegerin von 1996, Chryste Gaines,angeklagt. Über mögliche Sanktionen muss jetzt der InternationaleSportgerichtshof (CAS) in Lausanne entscheiden. Die USADA prüftzudem, ob Montgomerys Lebensgefährtin Marion Jones verbotene Mittelaus der kalifornischen «Dopingküche» BALCO bezogen hat.