Küssen erlaubt: «Bützje» gehört zum Karneval dazu
Hamburg/Mannheim/dpa. - Clown küsst Indianerin und Vampir knutscht Cowboy: Vor allem im rheinischen Karneval ist ein «Bützje» - ein Küsschen - auch auf fremde Wangen völlig normal.
Hemmungslos wird geküsst, «wilde Weiber» machen beim Sturm auf die Rathäuser auch vor Würdenträgern wie Bürgermeistern und Polizisten nicht halt, bis so manche Beamtenwange von rotem Lippenstift übersät ist. Dabei ist der feuchte Spaß nicht nur für Singles reserviert. Fastnachtsfans und Beziehungsexperten sind sich einig: So lange es beim Bützje bleibt, besteht kein Grund zur Eifersucht. Und für Menschen mit großen Berührungsängsten ist eine zünftige Karnevalssause ohnehin nicht geeignet.
«Bützje gehören im Karneval zum guten Ton», sagt die Flirtexpertin Nina Deißler aus Hamburg. Für Singles im Karneval könne der Einstieg in einen Flirt zudem kaum leichter sein. «Wenn ich verkleidet bin, begebe ich mich ja in eine Art Rollenspiel - da geht vieles einfacher.» Wird aus dem wilden Cowboy wieder der Steuerfachangestellte, könne das neu gewonnene Selbstbewusstsein auch in den Alltag hinüber gerettet werden.
Was ist zu tun, wenn es beim Küsschen doch richtig gefunkt hat? «Dann dies auch sofort sagen», rät Deißler. Bis ins Bett sollte ein Flirt allerdings am ersten Abend nicht gehen, wenn daraus etwas Ernstes werden soll. «Besonders bei Männern setzt dann der Effekt ein, dass eine Frau, die am ersten Tag mit einem in die Kiste geht, als dauerhafte Partnerin unattraktiv wird.»
Stefan aus Koblenz feiert leidenschaftlich gerne Karneval und tritt im Männerballett auf. Nach seinen Erfahrungen schlägt zwar nur eine kleine Gruppe der Feiernden während der tollen Tage über die Stränge. Für diese gelte aber: «Das ist, als wenn ein Schalter umgelegt wird, dann fallen sich Leute um den Hals, die sich ansonsten nicht anschauen würden», sagt er. «Das geht über Bützje, Zungenkuss und auch weiter.»
Jeder, der auf Karnevalsfeiern geht, müsse sich im Klaren sein, dass es dort deutlich lockerer zugeht, als an normalen Abenden. «Bützje gilt im Karneval als absolut harmlos - da kann der Partner auch danebenstehen», sagt Stefan. «Natürlich gibt es an Karneval über alle Altersschichten hinweg eine relativ hohe Fremdgehquote - abhängig davon, was man als Seitensprung definiert.» Doch gelte auch unter Narren «alles kann, nichts muss», betont er. Selbst beim wilden Feiern müsse ein «Nein» akzeptiert werden.
Bettina Franzke rät vor allem schüchternen Singles, die Erfahrungen einer lockeren Fastnachtszeit für mehr Selbstbewusstsein im Alltag zu nutzen. «Frauen können sich etwa mehr Mut zulegen, um auch mal auf Männer zuzugehen», sagt die Kommunikationstrainerin aus Mannheim. Die fünfte Jahreszeit sei schließlich eine gute Gelegenheit, aktive Menschen kennenzulernen.
Doch was ist zu tun, wenn jemand partout nicht gebützt werden will, aber trotzdem nicht als Spaßbremse gelten möchte? «Die beste Abwehr ist ein humorvoller Korb», rät Deißler. Kussverweigerer können nach Franzkes Rat auch mit ihrer Verkleidung vorbeugen: «Dann am besten dick und eklig schminken oder gleich eine Maske aufsetzen.»