Kurios Kurios: In 80 Tänzen um die Welt
Halle/MZ. - Manchmal wackelt das Bild, weil der Kameramann vor Lachen in die Knie geht. Matt Harding, der aus Connecticut in den USA stammt, hat zwar mal für vier Jahre bei einer Tanzgruppe mitgemacht. "Aber wer jemanden sucht, der das richtig kann", schätzt der 31-Jährige selbst, "sollte sich wohl besser woanders umschauen."
Bei Matt Harding geht es nicht darum, wie er tanzt. Sondern allein darum, wo. Vor fünf Jahren packte der Mann, der damals als Storyschreiber für Videospiele arbeitete, ein paar Sachen zusammen, um ein bisschen was von der Welt zu sehen. "Bis dahin hatte ich nur den Wunsch, mein ganzes Leben mit Videospielen zu verbringen", beschreibt er, "aber nach ein paar Jahren hatte ich den Eindruck, es müsste noch irgendetwas anderes geben."
Harding kündigt seinen Job, rafft sein Erspartes zusammen und reist wie Tausende andere mit Rucksack, Schlafsack und Kamera durch Asien. Bis ihn ein zufälliger Reisebegleiter eines Tages im vietnamesischen Hanoi auf die Idee bringt, die den unauffälligen Brillenträger mit dem kleinen Computerspielerbäuchlein zum größten Filmstar des Internet werden lassen wird: Matt Harding tanzt, elegant wie ein Footballspieler, rhythmisch wie ein Kohlenlaster. Hinter sich hat er mal das Taj Mahal, mal einen griechischen Tempel, mal die Häuser eines Dörfchens in Mali, die Kreidefassaden im jemenitischen Sana'a oder das unendliche Blau der Südsee.
Im Internet, für schräge Inszenierungen immer ein guter Platz, machten Hardings erste Tanzschritte schnell Karriere. "Der komische Typ, der tanzt" wurde allerdings berühmt, ohne es selbst zu merken. Als ein Kaugummihersteller ihm anbot, um die ganze Welt zu reisen und dabei einfach nur weiterzutanzen, fragte Matt Harding misstrauisch, wie das gemeint sei: "Ihr bezahlt und ich fahre?" Ja, genau, hieß es. Kein Haken? Kein Haken. "Ich fand, das klang wie eine super Idee."
Mehr als 90 Länder auf allen sieben Kontinenten hat der Mann, der zwischen seinen Reisen mit Freundin Melissa Nixon und Hund Sydney in Seattle im US-Bundesstaat Washington lebt, seitdem besucht. Vor zwei Jahren drehte er in Bolivien, Jordanien, Peru, Australien und zwei Dutzend anderen Ländern seinen zweiten Film "Dancing 2006" und stellte ihn unter dem Titel "Where The Hell Is Matt?" ("Wo zum Teufel ist Matt?") auf die Filmplattform Youtube. Innerhalb weniger Wochen schauten mehr als eine Million Menschen die nur grob choreografierte Mischung aus atemberaubenden Hintergründen, einem hüpfenden Mann in kurzen Hosen und exotischer Musik an. Hunderttausende waren anschließend so begeistert, dass sie Matt Harding Mails schickten mit der Bitte "Komm vorbei und tanze mit uns."
Für seinen neuen Film, der seit einer Woche im Netz steht und mit vier Millionen Zuschauern schon ein größeres Publikum fand als jeder Kinohit der letzten paar Jahre, hat Harding ein paar der Einladungen angenommen. Mehr als ein Jahr war er diesmal unterwegs, durch 42 Länder führte die Tour. Von den Weihnachtsinseln nach Indien, von Bhutan nach Sansibar, von Mali nach Island. In Kirgisien hat Matt Harding mit ein paar Jugendlichen mitten in den Bergen getanzt, auf Island mit einem Geysir, in Istanbul gemeinsam mit einer Trachtentruppe und in Indien mit Frauen in traditionellen bunten Saris. Eine Reise um die Welt in 42 Tänzen: Im jordanischen Wadi Rum hampelt der derzeit erfolgreichste Regisseur der Welt neben einem Kamel herum, auf den Fiji-Inseln und in Sambia tanzen Kinder mit, deren Augen staunen: Ein Amerikaner, der die Erde tanzend erobert?
Aber ja doch. Matt Harding ist das lächelnde Gesicht des anderen Amerika, ein Mann. Eben noch steht er zwischen krabbelnden Krabben auf der Weihnachtsinsel, da tauchen schon Elefanten auf, dann Affen und schließlich ein paar grell bemalte, aber amüsierte Stammeskrieger aus Papua.
Garry Schyman, eigentlich Produzent von Computerspiel-Soundtracks, hat dem Vier-Minuten-Werk seines Freundes einen Soundtrack geschneidert, der ebenso exotisch wie eingängig klingt. "Wir hatten die Musik", beschreibt er, "und einen Text von Rabindranath Tagore, der genau passte." Nur eine Sängerin für die Verse auf Bengali war nicht in Sicht - bis Hardings Freundin die Palbasha Siddique entdeckte - natürlich auf Youtube. Die 17-Jährige stammt aus Bangladesh, lebt in Minneapolis, und ist die ideale Stimme für Hardings fröhliches Hampeln in Kulissen, die größer sind als eine Religion, eine Rasse, eine Weltanschauung. Nein, sagt Matt Harding, er habe keine Botschaft, keinen guten Rat für die Welt und keine Nachricht, die alle hören sollen. "Ich tanze bloß, der Rest liegt bei Dir."