Kaviar- und Stör-Produktion in Jessen Kaviar- und Stör-Produktion in Jessen: Noch keine schwarze Null

Jessen - Um es mit den - beruhigenden - Worten von Betriebsleiter Peter Bahrs zu formulieren: „Es gibt uns noch!“ - gemeint ist die Fischfarm im Jessener Gewerbepark, die Kaviar und Störe produziert. Jetzt unter dem Dach der Attilus GmbH, deren Geschäftsführer der zurzeit in England lebende Russe Igor Stopnikov ist (die MZ berichtete bereits).
Beide, Attilus-Chef und hiesiger Betriebsleiter, lassen im Gespräch mit der MZ keinen Zweifel daran, dass das Jessener Unternehmen eine Zukunft habe. So sagt Igor Stopnikov in bestem Englisch: „Wir wollen den langfristigen Bestand der Firma sichern.“ Und Peter Bahrs fügt an: „Es wird nach vorne geschaut. Es gibt kein Ausschlachten des Betriebes.“ Womit er auf zurückliegende, teils sehr unsichere Kapitel in der Geschichte der Jessener Fischfarm (Umfirmierung, Investorensuche, gescheiterte Fusionierung) anspielt.
Seit 2014 wieder dabei
Der Grundstein für den Betrieb wurde 2006 gelegt, 2007 begannen die Bauarbeiten und Peter Bahrs war 2008/09 schon einmal in Jessen vor Ort. Dann wurde ihm, was er nur in Andeutungen fasst, die Angelegenheit wohl zu fragwürdig. Seit 2014 ist er nun wieder im Boot. Jetzt wie gesagt unter der Fahne der Attilus GmbH von Igor Stopnikov (siehe dazu „Igor Stopnikov ist auch in England aktiv“). Die wurde in Deutschland nach Auskunft von Geschäftsführer und Betriebsleiter im November 2014 - neben der englischen Attilus-Handelsorganisation - auf den Weg gebracht. Und seit Dezember 2014 gehöre die Jessener Stör-Farm und Kaviar-Herstellung dazu.
„Noch verdient die Jessener Farm nicht den eigenen Unterhalt“, gibt Igor Stopnikov geradewegs zu. Doch von Panik ist er dabei weit entfernt: „Es ist ein Langzeitprojekt“, das sei ihm klar. Es gebe - was ja spätestens seit den Tagen der Insolvenz (ab September 2014) bekannt ist - zum einen interne Gründe für die Probleme (vor allem hinsichtlich der Energieeffizienz in der Anlage - die Redaktion), zum anderen sei der Markt für Kaviar schwierig, was der Geschäftsführer bildhaft beschreibt: „Kaviar bleibt etwas Besonderes. Niemand isst jeden Tag Kaviar, ich übrigens auch nicht!“
Nach seinem Eindruck wurde in der Vergangenheit seitens des Jessener Unternehmens zu wenig Markt-Erschließung betrieben. Der Kaviar von hier sei mindestens so gut wie anderer auch, aber man müsse noch einmal und intensiver mit potenziellen Abnehmern kommunizieren - mit Hotels, Caterings, Delikatesshändlern und überregionalen Fischmärkten.
Die Jessener Fischfarm sei einmalig in der ganzen Region und darüber hinaus, betont Igor Stopnikov. Aber der Kaviar von hier gehe in andere Gegenden Deutschlands, nach Frankreich, Skandinavien und Großbritannien - wo Attilus, wie geschildert, ja auch eine Niederlassung unterhält. Der Mann, der inzwischen jeden Monat für einige Tage in Jessen weilt, sagt: „Zurzeit verkaufen wir mehr Kaviar nach Sylt oder England als in oder um Jessen.“
Generell müsse man den Markt aufmerksam beobachten, um weitere Absatzmöglichkeiten zu erschließen. „In England sind Pferderennen angesagt, dazu passt Kaviar wunderbar“, nennt er ein Beispiel, spekuliert aber auch auf Motorsport-Ereignisse oder Events der Nahrungsmittelbranche.
900 bis 1 500 Euro sind laut Attilus-Chef für ein Kilo Kaviar zu erzielen. „Je direkter der Verkauf erfolgt, also ohne viele Zwischenhändler, umso respektabler der Gewinn.“ Aus diesem Grund solle auch ein Online-Handel aufgebaut werden. Damit sinke der Preis für den Konsumenten und man könne sich als Erzeuger zudem besser präsentieren. Wichtig ist ihm darüber hinaus: „Stör-Fleisch selbst stellt eine feine Nahrung dar - gesund, gehaltvoll und es schmeckt.“ Das Fleisch werde ja ebenfalls in Jessen produziert. Man habe hier aber noch keine eigene Räucherei, so dass der Betrieb derzeit den Stör extern räuchern lasse. „Dieses Geschäft soll künftig noch ausgebaut werden.“
Ingenieur-Aufgaben zu lösen
Intern, also bezüglich der Produktionsabläufe, habe die Jessener Fischfarm laut Igor Stopnikov dringend einige Ingenieur-Aufgaben zu lösen, „um die Prozesse zu vereinfachen und zu effektivieren“. Vor allem müsse man in der energetischen Bilanz noch besser werden. Aber die Firma sei da auf einem guten Weg, immerhin habe man diesbezüglich schon ein Zertifikat erlangt. Doch man wolle 2016, wie schon 2015 begonnen, an dieser Schiene weiterarbeiten. Insgesamt nennt der verheiratete Vater zweier studierender Kinder als Hausnummer die Summe von 750 000 Euro, die er jetzt und in nächster Zeit in Jessen zu investieren beabsichtige. Er möchte die Abwärme aus der benachbarten Biogasanlage stärker nutzen und sie in Kälte fürs Hallenklima transferieren. Bereits angeschafft wurde eine neue Anlage zum Pasteurisieren von Kaviar (10 000 Euro). Auch fortlaufende Schulungen für das Personal (sieben bis neun Leute, mit geringfügig Beschäftigten) kündigt er an. Alles in allem lautet seine Zielmarke, das Unternehmen im Laufe eines weiteren Jahres rentabel zu machen, also schwarze Zahlen zu schreiben. Eine eigene Jungfisch-Aufzucht hält er jedoch momentan nicht für ökonomisch. Bis auf weiteres beziehe man die Stör-Setzlinge von außerhalb. Die eigene Zucht lohne erst wieder, wenn mehr Besatz (z.B. für Fischteiche) als jetzt an außenstehende Interessenten (in 150 Kilometern Umkreis) abgegeben werden könne, ergänzt Betriebsleiter Peter Bahrs.
Voller Lob ist Igor Stopnikov für seine Jessener Belegschaft, die viele der Effektivierungs-Maßnahmen (Auslagerung von Wärme abgebenden Lüftermotoren, Einbau von Dachluken zur Klimasteuerung, Sanierung der acht Umlaufbecken/Module) in eigener Regie und mit Hilfe einheimischer Firmen umsetze. „Wir haben hier ein wundervolles kleines Team, das viel Optimismus ausstrahlt.“
Eine weitere Richtung der Unternehmensentwicklung soll die Verbesserung der lokalen Anbindung betreffen. „Wir wollen die Leute einladen, mit ihren Familien unsere Erzeugnisse zu probieren“, sagt der Attilus-Chef. Schon jetzt werden ab Betrieb tiefgefrorener Fisch und Filets, Räucher-Stör und Kaviar an Kunden abgegeben. Intensivieren möchte Igor Stopnikov das mittelfristig durch einen kleinen Hofverkauf. (mz)
