Kauf, Abbau oder Umzug: Kassel entscheidet über Obelisk

Kassel - Über kein Kunstwerk der vergangenen documenta wurde mehr diskutiert: Der Obelisk des nigerianisch-amerikanischen Künstlers Olu Oguibe steht seit der 14. Auflage der weltbekannten Ausstellung für moderne Kunst mitten in der Kasseler Innenstadt. Ob er dort bleibt, umzieht oder aus der Stadt verschwindet, ist seit Monaten ungewiss. Am Montag (18. Juni) soll die Hängepartie ein Ende haben. Dann entscheidet das Kasseler Stadtparlament.
Jede documenta hinterlässt im Kasseler Stadtbild Spuren. Oft sind es Publikumslieblinge, die über Spenden angekauft werden. Der Obelisk ist eine 16 Meter hohe Steinsäule, die sich mit dem Thema Flucht beschäftigt und auch durch ihre Schlichtheit provoziert. Nur einen Tag nach Beginn der Spendensammlung und Bekanntwerden des angepeilten Preises von 600 000 Euro schrieb ein Mann mit Farbe auf das Kunstwerk: „600 000 Euro? Seid ihr blöd?”
Es folgte eine Debatte über den Wert von Kunst, dann über einen geeigneten Standort. Während die Stadt den Königsplatz für weitere Ausstellungen freihalten will, teilte der Künstler mit, der Obelisk sei nur „für diesen Standort konzipiert”. Die Spendenaktion selbst blieb weit hinter den gesteckten Zielen zurück - 126 000 Euro waren es am Ende.
Oguibe akzeptierte die Summe jedoch - und schlug vor einer Woche einen Kompromiss in der Standortfrage vor. Die Säule solle vorerst auf dem Königsplatz bleiben, später aber vor den geplanten Neubau eines documenta-Instituts an der Uni umziehen. Damit war wieder alles offen, nachdem die Stadt zwischenzeitlich mitgeteilt hatte, dass es voraussichtlich zu keiner Einigung kommen werde.
Eine klare öffentliche Position in Sachen Obelisk fehlt aber bis heute. Für die Sitzung des Stadtparlaments stehen allein drei Anträge zu dem Kunstwerk auf der Tagesordnung. Die Bandbreite der Forderungen reicht von „Abbauen” bis „Stehenlassen”. Was mehrheitsfähig ist, ist nicht erkennbar.
„Die SPD-Fraktion spricht sich für einen Ankauf des Obelisken in Höhe der gesammelten Spendensumme aus, wenn der Obelisk sofort seinen endgültigen Standort am Holländischen Platz, vor dem noch zu bauenden documenta-Institut, erhalten wird”, sagt beispielsweise SPD-Fraktionschef Günther Schnell. Erziele man bis Ende Juni keine Einigung, solle das Kunstwerke weg.
Die Grünen loben dagegen den Vorschlag des Künstlers, den Obelisken bis zur Fertigstellung des documenta-Instituts am Königsplatz zu lassen. „Der Kompromiss birgt die Chance, die verfahrene Situation zu lösen”, erklärt Fraktionschef Dieter Beig.
Das Hin und Her habe der Stadt bereits genug geschadet, sagt dagegen die CDU. Sie sieht das Risiko eines „Gewöhnungsprozesses”, also dass der Obelisk am Ende dauerhaft auf dem Königsplatz steht. Man bleibe daher bei der Forderung, die Ankaufsverhandlungen einzustellen, sagt Fraktionsvorsitzender Michael von Rüden.
Wer denkt, dass Oguibe angesichts langer Debatten in Kassel die Nase voll hat, irrt - sagt zumindest Alexander Koch, der Berliner Galerist des Künstlers. Die zentrale Botschaft sei: „Kassel, was Ihr da macht, ist toll”, erklärt er. Es sei ein städtischer Selbstverständigungsprozess entstanden, den man wertschätzen müsse. Der Obelisk sei eines der erfolgreichsten Kunstwerke seit langer Zeit, weil er einen „lange nicht mehr gesehenen öffentlichen Diskurs anregt”.
Offen lässt der Galerist, was passiert, wenn das Stadtparlament am Montag einen Beschluss gegen den Vorschlag des Künstlers fasst. „Oguibe nimmt stark wahr, was in der Stadt passiert”, sagt Koch. Wenn es eine Welle der Solidarität für den Obelisken geben würde, werde der Künstler das sicher hören. (dpa/lhe)