Karneval auf Trinidad Karneval auf Trinidad: Quirliges Spektakel mit kritischer Kunst

Port of Spain/Arima/dpa. - Karneval auf Trinidad ist für die Bewohner der multikulturellen Karibikinsel «the greatest show on earth» - die großartigste Schau auf Erden. In Rio de Janeiro und Köln sind zwar mehr Menschen auf der Straße. Aber was das Eiland mit seinen gut 1,2 Millionen Bewohnern in der Zeit vor Aschermittwoch auf die Beine stellt, verdient das Prädikat «Weltklasse».Besonders gilt das für die Kostümkreationen von Designern wie Peter Minshall. Der verzauberte mit seinen Ideen schon Millionen Zuschauer bei drei Eröffnungsfeiern von Olympischen Spielen.
Pappnase oder Glitzertanga sind auf Trinidad «out». Es soll kreativ und ausgefallen sein - je größer und üppiger, desto besser. Mancher verzichtet auf seinen Urlaub, um mit eigenem Kostüm als Schmetterling, Spinne, Krake, Dämon, Licht- oder Fantasiefigur bei seiner «Mas»-Gruppe dabei zu sein. «Mas» heißt Karneval, Maskerade, Verkleidung. Fast jedes Dorf, jede Firma und Kirchengemeinde hat eigene Feiern. Und es gibt kaum eine Schule, deren Steelband nicht im Karneval gewinnen will. Die aus Trinidad stammende Steelpan ist das einzige Instrument, das im 20. Jahrhundert erfunden wurde.
Die Kostüme der Wettbewerbssieger sind gewaltige Kunstwerke auf Rollen und kosten bis zu 5000 Euro, manchmal sogar mehr. Zwischen meterhohen Stangen aus Fiberglas, Stoffen, Farbenpracht und Glitter steckt ein Mensch, der sich mit diesem «Monstrum» tanzend fortbewegt.
Bei den Ausscheidungs- und Endkämpfen gleicht das Areal um die Bühnen des Savannah Parks im Herzen von Port of Spain einem kleinen Formel-1-Zirkus. Techniker schrauben und hämmern, schöne Frauen geben Küsschen, der Kostüm-«Fahrer» inspiziert und ist der Star. Familie, Fans und Sponsoren drücken die Daumen. Prüfer begutachten Gestell und Rollen. Nur zwei sind erlaubt.
Zum «Mas»-Endspurt am Montag und Dienstag vor Aschermittwoch sind bis zu 350 000 Menschen allein in der Hauptstadt bei den großen Paraden um den Park auf den Beinen. Auch in anderen Gemeinden wird gefeiert. Selbst im Januar gibt es bereits Tage, an denen mehrere Shows und Qualifikationen stattfinden. Steelbands, Soca- und Calypsosänger, Aspiranten für King-, Queen-, Kostüm- und andere «Mas»-Titel beginnen ihre Proben schon im Herbst.
«Etliche von uns arbeiten fast das ganze Jahr», sagt Winston Black. Er ist einer der etwa 250 Kostümdesigner und Maskenbildner auf Trinidad. «Viele Familien kratzen ihr Erspartes zusammen. Es soll ein Kostüm vom Designer sein, nicht aus dem Supermarkt», sagt der 59-Jährige. Seine Werkstatt ist die Terrasse vor seinem Wohnhaus in Arima, eine Kleinstadt nahe Port of Spain.
Schneidern, Federn färben, glitzernde Teile bekleben - das macht Black auch im Winter bei 26 Grad unter freiem Himmel. Er hängt einer Anziehpuppe unter Palmen ein Dämonenkostüm über und nickt zufrieden. Später sind Shakir, Shelly und ihre Mütter glücklich - die Kinder über ihre farbenprächtigen Kostüme, die Muttis über die Preise: umgerechnet 40 Euros für die Kids, 100 für die Eltern. Damit liegt der Designer am unteren Ende der Preisskala.
Stardesigner Peter Minshall verhüllt seine «Mas»-Band «Callaloo», eine der berühmtesten Karnevalsgruppen, in gewaltige Kunstwerke mit kritischen Botschaften. Minshall wählte auch schon die Farbe Weiß - ein scharfer Protest im bunten Karneval. Er kämpft für den Erhalt der Umwelt, attackiert Massen- und «Imitations»-Hysterie, mahnt zur Besinnung auf alte Traditionen. Seine Devise: Karneval sollte «Theater in seiner ursprünglichsten Form» sein. Bis zu 20 Kilometer Stoff für 2000 Kostüme braucht eine «Mas»-Band der Topklasse.
Der Karneval ist auch deshalb hier so kreativ, weil Trinidad mit seiner kleinen Schwesterinsel Tobago ein Schmelztiegel ist. Die Einwanderer aus Afrika, Indien, Europa und Südamerika haben alle Hautfarben dieser Welt. Moscheen, Hindutempel und christliche Kirchen sind Zeugnisse religiöser Vielfalt.
Am Aschermittwoch ist in der Karibik längst nicht alles vorbei. Über ein Dutzend Inseln wie Antigua, Grenada, Kuba und Jamaika sowie in der Dominikanischen Republik feiern zwischen April und August, die Bahamas, St. Kitts und Montserrat gar im Dezember als Erinnerung an Sklavenaufstände und Feiern ihrer afrikanischen Vorfahren.
Informationen: Trinidad & Tobago Tourist Office, Bahnhofsplatz 4, 55116 Mainz (Tel.: 06131/733 37, Fax: 06131/733 07, E-Mail: [email protected]).