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Karelien - Das Kreuz des Nordens

Von Carsten Rave 29.12.2007, 23:12

Hamburg/dpa. - Im Sommer wurde Klaus Bednarz, der lange das ARD- Magazin «Monitor» prägte, pensioniert. Untätig blieb der 65-jährige Journalist dennoch nicht. Wie schon einige Male zuvor, ob zum Baikalsee oder nach Patagonien, zog es Bednarz wieder in die weite Welt hinaus.

Er suchte sich eine entlegene Ecke Russlands aus, um den Zweiteiler «Karelien - Das Kreuz des Nordens» zu drehen. Die ARD zeigt den Film, den Bednarz auch als Bildband im Rowohlt Verlag herausgebracht hat, am 30. Dezember und 1. Januar jeweils um 21.45 Uhr.

Karelien ist eine einsame, menschenleere Landschaft abseits des Weltgeschehens an der finnisch-russischen Grenze. Vor mehr als 20 Jahren hatte er die Gegend schon in seiner Eigenschaft als ARD- Korrespondent in der Sowjetunion bereist. Damals habe er bereits erkannt, dass das Volk der Karelen eine Schicksalsgemeinschaft sei, die zunächst durch den russisch-finnischen Krieg und dann durch den Zweiten Weltkrieg zusammengeschweißt worden sei, sagte er bei der Vorstellung des Films.

Bednarz bereiste die Landschaft mit seinem Kameramann Maxim Tarasjugin von Süden nach Norden, bis zum am Eismeer gelegenen Murmansk, und wieder zurück nach Süden über die finnische Grenze. Er sprach mit alten und jungen Menschen und erfuhr, wie die Gräueltaten von gestern in der Erinnerung noch präsent sind, aber auch, wie die Menschen auf beiden Seiten der Grenze einen Neuanfang gemacht haben und zugleich ihre Traditionen bewahren wollen. Die offiziellen Staatssprachen sind Russisch und Finnisch, die Ureinwohner der Region ­ Karelier, Samen, Wepsen ­ kämpfen heute um den Erhalt ihrer Tradition und Sprache.

«Schöne Landschaft, tragische Geschichte», befand Bednarz nach seiner Reise nach Karelien. Viele alte Menschen erinnern sich an den Krieg mit den Finnen in den dreißiger Jahren und an den Zweiten Weltkrieg. Danach führten die Menschen zwar ein gesichertes Leben vor und hinter dem Eisernen Vorhang, aber viele Familien waren getrennt. Die Lebensbedingungen haben sich nach der Öffnung zwar verbessert, aber nicht in allen Belangen. So lässt die medizinische Versorgung in den dünn besiedelten Gebieten zu wünschen übrig.

Karelien ist aber auch eine alte Kulturlandschaft: Mehr als 6000 Jahre alte Steinzeichnungen an der Küste des Eismeeres zeugen vom Leben und Alltag der urzeitlichen Meeres- und Taigajäger. Im Süden Kareliens haben sich einzigartige kulturhistorische Denkmäler erhalten, kunstvolle Bauten altrussischer Holzarchitektur ­ Kirchen und Klöster, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zum Teil wieder ihrer geistlichen Bestimmung übergeben wurden. Heute bilden die Holzindustrie und der Fischfang die wichtigsten Wirtschaftszweige.

Bei aller Normalisierung hat es in den vergangenen Monaten wieder Rückschritte gegeben, die auch die Bewohner Kareliens betreffen. «Der Geheimdienst KGB hat in Russland wieder an Stärke gewonnen», erzählt Bednarz. «In jedem russischen Mehrfamilienhaus sitzt wieder ein KGB- Vertreter. Außerdem ist an den Grenzen ein Sperrgebiet von 25 Kilometern Tiefe entstanden, in das kein Ausländer mehr darf. Die Sperrzone ist entlang der russischen Grenze damit von der Fläche her so groß wie Frankreich.»

Kameramann Tarasjugin begleitete Bednarz schon von Ostpreußen über den Baikalsee, nach Feuerland und Patagonien. Vielleicht ist er das nächste Mal wieder mit von der Partie, denn Bednarz plant schon seine nächste Reise, die ihn nach Polen führen soll.