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Kanada Kanada: Stille und glänzendes Nass

Von Nina C. Zimmermann 26.05.2009, 12:04
Die unzähligen Seen und Flüsse von Ontario bieten Aktivurlaubern viel Abwechslung. (FOTO: ONTARIO TOURISM/DPA)
Die unzähligen Seen und Flüsse von Ontario bieten Aktivurlaubern viel Abwechslung. (FOTO: ONTARIO TOURISM/DPA) Ontario Tourism

Wabatongushi/French River/dpa. - Adam Madahbee starrt konzentriert auf den Seeim Norden von Kanadas wasserreichster Provinz Ontario. «Irgendwannmuss doch ein Fisch anbeißen», sagt er - auch wenn nach den zweiStunden Warten keiner seiner Mitangler mehr daran glauben mag. Dochtatsächlich, auf einmal wackelt eine Angelrute. Der 25-Jährigehechtet quer durch das Boot, zückt ein Netz und hievt im nächstenMoment einen grünlich-silbrigen Fisch an Bord: einen zappelnden, etwa25 Zentimeter langen «Walleye», der das Mittagessen bereichern soll.

Wie Störe, Welse und andere Schuppentiere kommt diesenordamerikanische Zanderart in den unzähligen Gewässern von Ontariohäufig vor. Trotzdem ist Adam enttäuscht, als es ans Ufer geht - mehrals der eine Walleye hat nicht angebissen. Auch sein Großvater Ivanim karierten Holzfällerhemd und blauer Weste hat heute kein Glück.Der 75-Jährige hält die Angel sogar noch ins glitzernde Wasser, alssein Enkel das Boot schon längst an Land festgemacht hat. Der Altequittiert seinen Misserfolg mit einem zahnlosen Lächeln undKopfschütteln.

Auf einer kleinen Insel im See zaubern Adam und Ivan imHandumdrehen eine reich gedeckte Tafel: mit mitgebrachtem Fisch,knusprigen Kartoffelspalten und indianischem Bannock-Brot aus Mais -alles frisch über einem knisternden Holzfeuer zubereitet. Auch dereinzige Fang des Tages landet im heißen Fett, nachdem Adam ihn raschausgenommen hat. Verkauft werden dürfen die hier gefangenen Fischenicht, nur zum eigenen Verzehr ist das Angeln erlaubt.

Der schmale Wabatongushi-See erstreckt sich etwa 30 Kilometer vonNord nach Süd und liegt abgeschieden im «Chapleau Crown GamePreserve». Das größte Wildreservat der Welt liegt nicht weit vom Uferdes Lake Superior, dem größten Binnengewässer Kanadas und mit 82 103Quadratkilometern fast 144-Mal so groß wie der Bodensee. Hier habendie Eltern von Al Errington, dem Chef von Ivan und Adam, Mitte der1970-er Jahre begonnen, mitten in der Wildnis eine Lodge zuerrichten. Mittlerweile bieten Al und seine Frau Doris fünf Monate imJahr einen Zufluchtsort für stressgeplagte Großstädter, die dieabsolute Einsamkeit am Wasser suchen.

Kanada besitzt etwa zehn Prozent des weltweitenSüßwasservorkommens, das meiste davon in Ontario. Dieser irokesischeName bedeutet übersetzt «Land des leuchtenden Wassers». Im Südengrenzt die Provinz an die Großen Seen und im Norden an die HudsonBay. Ein Sechstel der Landesfläche besteht aus Seen und Flüssen -mehr als 400 000 Gewässer soll es geben, davon ungefähr 250 000sprudelnde Seen und 100 000 Kilometer rauschende Flüsse. Entsprechendabgelegen sind viele Regionen: Das Resort der Erringtons etwa ist nurper Wasserflugzeug oder per Bummelzug der Algoma CentralRailway-Gesellschaft zu erreichen. Einmal am Tag hält die von SaultSte. Marie am Südende des Lake Superior kommende Bahn amMeilenzeichen 206.

Die Gäste von Al und Doris wohnen entweder in Suiten direkt nebendem Haupthaus oder in einer Holzhütte auf der benachbarten Insel, dieüber eine geschwungene Holzbrücke zu erreichen ist. Wer keine Lusthat, sich zu Fuß durchs Unterholz zum Essen ins Haupthaus zuschlagen, fährt mit dem eigenen Motorboot vor - jede Hütte hat einenPrivatsteg mit eigenem Kahn. Nicht nur Angler sind hier, auch vieleNaturliebhaber. Sie entspannen auf der Terrasse, paddeln im See oderhalten Ausschau nach Elchen, Bibern, Ottern und Schwarzbären oderKolibris, Eistauchern und Weißkopf-Seeadlern.

Die Vogelbeobachter sind Adam und Ivan allerdings eher suspekt.«Die bleiben eine ganze Woche und machen nichts anderes, die fischennoch nicht mal», empört sich Ivan und grinst dann. Ivan ist schonfrüh mit seinem Enkel Adam zum Fischen, zum Blaubeeren sammeln undzur Elchjagd gegangen. Beide leben von und mit der Natur und sehen esdeshalb mit Kopfschütteln, wenn ein Städter mit dem Motorboot zuschnell in einen Seitenarm des Sees heizt. «Das gibt zu viele Wellenund kann tiefliegende Vogelnester aus dem Schilf wegschwemmen», sorgtsich Adam.

Die beiden Männer gehören zum Stamm der Anniishnabek. Er ist Teilder Ojibway, einer der größeren sogenannten «first nations» - derkanadischen Ureinwohner. Sie stammen aus einer Gegend, die demChapleau Wildreservat sehr ähnlich ist: Manitoulin Island. Die rundzwei Flugstunden vom Wabatongushi-Lake entfernte Insel liegt im LakeHuron und ist mit rund 2800 Quadratkilometern Fläche und einerKüstenlinie von mehr als 1600 Kilometern die weltgrößte Insel ineinem Binnenmeer. Von den circa 15 000 Bewohnern ist etwa ein Drittelindianischer Abstammung.

Die Insel liegt vor der Georgian Bay an der ehemaligenPelzhandelsroute. Deren Weg bereitete als erster der französischeEntdecker Samuel de Champlain. Im ersten Drittel des 17. Jahrhundertgelangte er vom kanadischen Osten über den Ottawa-Fluss, denNipissing-See durch die Georgian Bay bis zum Lake Huron. Noch heuteweisen die Menschen in der Region auf die historische Strecke hin.Eileen und David Quinn etwa betonen gern, dass der Kanal zwischen demkleinen Örtchen Killarney und der ihm vorgelagerten George-Inselschon den Pelzhändlern guten Schutz vor den Unwettern in der Bay bot.

Das Paar Ende 50 ist zwölf Jahre durch die Karibik gesegelt. Ganzzurück an Land wollten die ehemalige Musikerin und der einstigeJournalist nicht. Daher steuern die beiden seit bald drei Jahren dieSegeljacht «Stormy Night» durch die Bucht und die Gewässer rund umManitoulin Island. Das Schiff gleitet vorbei an ankerndenMotorjachten, einzelnen Ruderern und Kanuten in den Sonnenuntergang.Der Himmel über den sanften dunkelgrünen Hügeln und einem weißenLeuchtturm, der die Form einer Pfeffermühle hat, ist in intensivesRosa-Blau getaucht.

Dreimal in der Woche zeigen die Quinns Touristen versteckte Eckender Inselwelt. Ein Geheimtipp für einen Tagesausflug von Killarneyaus sei zum Beispiel Fox Island, sagt David. «Hier segeln nurEinheimische, denn die Bucht ist ein weißer Fleck auf der Landkarte.»Die Kartografische Gesellschaft Kanadas habe sie noch nichtberücksichtigt. So kennen auch nur wenige den Weg in die Frazer Bayzum «Indian Head», einer Felsformation aus Quarzit in Form einesIndianergesichts, die aus der Ferne aussieht wie das Profil einesUreinwohners.

Das Seglerparadies hat seine Tücken. Nicht nur das Wetter istwechselhaft, auch das Fahrwasser. «Es sieht sehr breit aus, abertatsächlich ist es sehr eng zum Navigieren», sagt Eileen, die Handfast immer fest am Steuerrad. Sie hält Ausschau nach kaum sichtbarenFelsen, die sich dem Boot in den Weg stellen könnten. «Wir kennenzwar nicht jeden Stein in der Bucht, aber es hilft, wenn man weiß, wodie meisten Steine sind», sagt sie.

Kaum ein Segler-, aber umso mehr ein Whitewater-Rafting-, Paddel-,Angler- und Schwimmparadies ist der nahe gelegene Provinzpark FrenchRiver, der den Lake Nipissing mit der Georgian Bay verbindet. Malweiter, mal enger führt der 105 Kilometer lange Fluss zwischen Felsenaus grau-weißem Granit und baumbestandenen Hügeln hindurch. Er warfür die französischen Entdecker die letzte Etappe vor der GeorgianBay und noch heute leben hier viele Franko-Kanadier.

Die Gegend ist nicht ganz so einsam wie weiter oben im Norden rundum das Chapleau Wildreservat. Tauschen möchte Adam Madahbee trotzdemnicht - auch wenn es ihn manchmal stört, dass er niemals schnellEssen im Imbiss um die Ecke holen kann und Freunde nur im Winterdaheim auf Manitoulin Island trifft. «Aber wenn Du diese tolle Gegendhier siehst, dann fehlt Dir eigentlich nichts», sagt er und schautversonnen auf das glitzernde Wasser.

INFO-KASTEN: Kanadas wasserreichste Provinz Ontario

ANREISE: British Airways fliegt nonstop von London-Heathrow zumToronto Pearson International Airport, dem größten Flughafen Kanadas.Von dort bietet Air Canada zahlreiche Anschlussflüge, zum Beispielins 600 Kilometer entfernte Sault Ste. Marie am Südende des LakeSuperior. Zahlreiche Regionalfluggesellschaften bedienen abgelegenereLandesteile.

KLIMA UND REISEZEIT: Im Sommer liegen die Temperaturen tagsüberbei 25 bis 30 Grad Celsius, nachts können es vor allem im Nordenweniger als 15 Grad sein. Die beste Reisezeit ist Juni bis August.

SPRACHE: Englisch.

UNTERKUNFT: Da die Unterkünfte meist sehr abgelegen sind, solltenReisende im Voraus buchen.

WÄHRUNG: Für 1 Euro gibt es etwa 1,55 kanadische Dollar (Stand Mai2009).

WASSERSPORT: Fast alle Unterkünfte und sogenannte Outfitters rundum die Seen verleihen Kanus, Kajaks und Motorboote. Segelboote lassensich unter anderem in Gore Bay auf der Nordseite von ManitoulinIsland chartern (Internet: www.cycnorth.com).

INFORMATIONEN: Canadian Tourism Commission, c/o LangeTouristik-Dienst, Eichenheege 1-5, 63477 Maintal (Tel.: 01805/52 6232 für 14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz); OntarioTourism, 10 Dundas Street East, Suite 900, Toronto, Ontario, CanadaM7A 2A1 (Tel. aus Deutschland: 001/800/668 27 46)